Ein Beitrag von Dr. Arndt Schmitz, Berlin

 

Ich bin gerade Mitglied des Greif geworden, da meine Familie mütterlicherseits aus Pommern stammt. Viel wusste ich nicht dazu. Als mein Großvater in den Siebzigern mit über 80 Jahren starb, landete sein Nachlass auf dem Dachboden – bis die Corona-Pandemie kam und mein Vater wieder darauf stieß. Selbst nun schon über 80 Jahre alt, kaufte er sich einen Laptop, tippte das in Sütterlinschrift Geschriebene ab, ergänzte es mit wenigen Photos und Kopien einiger Dokumente und ließ das Ganze im lokalen Copyshop in wenigen Exemplaren drucken und binden.

Das Leben meines Grossvati, den ich als Grundschüler noch kannte, spiegelt die Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts wider. Geboren 1890 noch im Kaiserreich auf Gut Marlow (am Rand von Sagard auf Rügen), ein gutbürgerliches Aufwachsen, verwundet im Ersten und im Zweiten Weltkrieg, dazwischen ein Familienleben als Lehrer in Pyritz (bei Stettin in Pommern, heute Polen) aufgebaut, jäh vertrieben und nach einigen Jahren in einem dänischen Lager in Westdeutschland nochmal mittellos von vorne angefangen… All das und auch noch sein Familienstammbaum, das findet sich in diesen Dokumenten und die Transkription in die heutige Schriftart ist nur der erste Schritt, dies zu erschließen, zu recherchieren, zu erfassen, zu verdauen…

Als ich daher auf den Pommerschen Greif stieß, war der Entschluss einfach, Mitglied zu werden. Ein erster Fokus liegt auf einem tragischen Ereignis, das mein Großvater miterlebte. 1908 begann er in Jena zu studieren, wechselte aber nach drei Semestern im Oktober 1909 nach Berlin. Da sein Vater im Sommer 1910 mit nur 53 Jahren plötzlich starb, wechselte er zu Ostern 1911 nach Greifswald, um der Mutter mit den fünf jüngeren Geschwistern in Stralsund näher zu sein.

Im Sommer 1912 traf sich die Familie im Ostseebad Binz. Als er Sonntagabends am 28. Juli auf der Seebrücke auf den Dampfer für die Rückfahrt wartete, passierte das Unglück – die Holzkonstruktion brach ein, viele Menschen stürzten in das Wasser, 17 von ihnen ertranken. Mein Großvater konnte schwimmen, hielt sich über Wasser und wurde gerettet. Diese Episode findet sich sehr emotional in den Unterlagen beschrieben.

Wir waren letzten Sommer am Jahrestag vor Ort und legten Blumen an dem Gedenkstein nieder. Da wir vorher Kontakt zur Kurverwaltung und Lokalzeitung aufgenommen hatten, erschien in der Ostsee-Zeitung ein Artikel dazu. Für dieses Jahr planen wir im www.museum-binz.de eine Sonderausstellung zum 110. Jahrestag. Das Museum hat einige Räume im Lokalbahnhof des „Rasenden Roland“, der Schmalspurbahn nach Putbus.

Als ich nun Mitglied wurde, schlug David Krüger vor, einen Blog-Eintrag zu schreiben, und zusammen mit Karen Feldbusch kam die Idee auf, dies als Suchanfrage zu gestalten: Wer hat Material, das mit dem Unglück von Binz 1912 im engeren oder weiteren Zusammenhang steht? Zum Beispiel historische Postkarten von Seebrücken (in Binz und in ganz Pommern) oder anderes zum Bädertourismus der Zeit? Dazu verwies mich Frau Feldbusch auch schon auf den mehrseitigen, bebilderten Beitrag von Erwin Rosenthal über die Seebrücken von Usedom-Wollin und Rügen in der Zeitschrift Pommern (Heft 1/2021, vergriffen). Andere Erzählstränge könnten zur Frühzeit der DLRG führen, die aufgrund dieses Unglücks gegründet wurde; oder zu anderen maritimen Unglücken wie der Titanic bereits im Frühjahr desselben Jahres 1912 oder der Costa Concordia 2012, genau 100 Jahre später.

Mein Grossvater stammte zum einen aus einer Bauernfamilie bei Barth, zum anderen aus einer Schicht von Gutspächtern auf Rügen, worüber sich auch eine Verbindung zur Familie Arndt rekonstruieren lässt, wobei mir schon Norbert Wewezer als Rügen-Experte (siehe zum Beispiel sein Blogeintrag vom 18. Dez. 2021) sehr hilfreich war. Das wären auch mögliche Anknüpfungspunkte für die Ausstellung und auch eine Möglichkeit der Selbstdarstellung des Greif.

Zurzeit ist noch alles denkbar, da die Konzeption der angedachten Ausstellung noch nicht fertig ist; umgekehrt kann ich nichts garantieren…

Ich würde mich über jede Antwort freuen!

Dr. Arndt Schmitz