Vor ca. drei Jahren sprach mich unser Mitglied und Forscherfreund Christian Müller-Henze an, ob ich mal etwas davon gehört hatte, dass es im Jahre 1855 ein Unglück in Zachow Kreis Regenwalde gegeben hatte. Natürlich musste ich das verneinen, ich wusste es nicht, ja sogar unser absoluter Regenwalde-Experte Siegfried Hannemann hatte davon noch nie gehört …

Christian Müller-Henze fand durch die Bearbeitung eines online-Ortsfamilienbuches in den Kirchenbuchduplikaten zehn Ertrunkene Personen, davon neun Kinder, alle ertrunken am 27. Mai 1855.

Seltsam, ja, das war wirklich seltsam, also begaben wir uns auf die Suche. In Büchern, in Unterlagen, im Internet, aber: Es war schlicht vergebens, nirgends konnten wir irgendetwas finden, es schien ein Mysterium zu bleiben.

Dann aber, erst kürzlich wurden wir fündig, und zwar durch das Internet über die Google Books-Suche:

Allgemeine Schul-Zeitung, Dienstag, 19.06.1855, No. 73., Seite 622

In der „Allgemeine Schul-Zeitung“ erschien doch tatsächlich ein Artikel über dieses fürchterliche Unglück und nun wussten wir mehr:

Zur Schulgeschichte

Die Schlaffheit und Gewissenlosigkeit eines Schullehrers verschuldet den Tod von 9 Schulkindern

Am 27. Mai wurden die Schulkinder des Dorfes Zachow von ihrem Lehrer an den sogenannten Glambeck, einen See zwischen Stramehl und Zachow, geführt und 9 von Ihnen,
Kindern von Bauern und Tagelöhnern, mit dem Lehrer von dem Knecht Joh. Giese in einem Kahn auf den See gefahren. Etwas 10 Schritt vom Ufer soll der Lehrer die Rückkehr zum Land verlangt und durchgesetzt, die Kinder auch zum Aussteigen aufgefordert, von ihnen jedoch nur Antwort erhalten haben, dass sie im Kahne bleiben und auch ohne ihn das Ufer erreichen würden, worauf derselbe sich nach Hause begeben hat.

Später und etwas um 6 1/2 Uhr abends sind die Kinder mit Giese im Kahn auf dem See gefahren, ein Hülferuf aber von ihnen nicht gehört worden, da der See ziemlich abgelegen von beiden Dörfern ist. Von den Eltern sind die Kinder erst beim Abendessen vermisst worden.

Bei einer hierauf veranlassten allgemeinen Nachsuchung ist der Kahn umgestürzt und die Mütze eines Kindes auf dem See gefunden und dadurch natürlich die schreckliche Vermutung bestätigt worden, dass die Gesellschaft verunglückt ist und sämtliche 10 Menschen ertrunken sind. Bis jetzt ist nur die Leiche eines Bauernmädchens aufgefunden, und man ist mit Aufsuchung der übrigen Leichen noch beschäftigt. (A. Allg. Z. aus Hann. Bf.)

Wenn ein Hirte seine Herde verlässt und inzwischen der Wolf einbricht und die Schafe frisst, wes ist die Schuld?

In der „Bayreuther Zeitung“ vom 09.06.1855 ist fast der gleiche Text abgedruckt nur mit dem Unterschied, dass die Leiche des genannten Bauernmädchens „die Tochter des Bauern Schmidt“ war.

Im „Augsburger Tagblatt“ vom 11.06.1855 ist noch vermerkt, dass man den Kahn umgestürzt im Wasser schwimmend fand.

Wie genau das Unglück nun entstand, darüber konnte natürlich niemand Auskunft geben. War es zu windig? War der Kahn überladen? Machten die Kinder Scherze und brachten den Kahn zum Kentern?

Doch, es kommen Fragen auf!

Warum wollte der Lehrer unbedingt wieder an Land, wo er doch die Kinder selbst zum Glambecksee führte? Ist es wirklich glaubwürdig, dass die Kinder sich ihm widersetzten und im Kahn blieben, erst recht zu der damaligen Zeit? Welche Rolle spielte der Knecht Giese?

Keine der Fragen wird je beantwortet werden können, aber mit Sicherheit war das Leben im kleinen Dorfe Zachow danach ein anderes, mit Sicherheit spürte man über viele Jahre den Schmerz des Verlustes so vieler unschuldiger Kinder.

Aus den Kirchenbücher wissen wir, dass alle entweder am 31.05.1855 oder am 01.06.1855 bestattet wurden. Insofern waren die Angaben aus den Zeitungen, dass die Vermissten nicht gefunden wurden, falsch.

Sie sollen benannt werden, durften sie schon nicht groß werden:

GIESE, Johann Friedrich Ferdinand, Knecht, 27 Jahre, 11 Monate, 20 Tage

KÜHL, Ernstine Wilhelmine Friederike, 10 Jahre, 6 Monate, 21 Tage

KUHN, Karl August Ferdinand, 13 Jahre, 4 Monate, 22 Tage

NINNEMANN, Emilie, 10 Jahre, 7 Monate, 16 Tage

ROHLOFF, Berta Auguste Albertine, 9 Jahre, 7 Monate, 8 Tage

SCHLEUSENER, Wilhelmine Caroline, 10 Jahre, 8 Monate

SCHMIDT, Karoline Auguste Henriette, 12 Jahre, 4 Monate, 11 Tage und Bruder:

SCHMIDT, Johann Carl Gottlieb, 10 Jahre, 3 Monate, 20 Tage

STAEGE (STEGE), Luise Bertha, 15 Jahre, 10 Monate, 7 Tage und Schwester:

STAEGE (STEGE), Regiene Emilie, 11 Jahre, 8 Monate, 20 Tage