Ein Beitrag von Jürgen Löffelbein
Der Begriff „homöopathische DNA-Matche“ tauchte kürzlich in der Discourse-Liste „DNA-Genealogie“ auf. Ich denke, dass diese Bezeichnung bei mehr als 6 Generationen zurückliegenden gemeinsamen Verwandten nicht ganz unrichtig ist, vertrete aber die Meinung „Kleinvieh macht auch Mist“ und möchte mit diesem Beitrag zeigen, wie ich mit solchen „homöopathischen“ DNA-Matchen Indizien für die Lösung eines Problems gesammelt habe, auch wenn es (bisher) noch kein Happy End gibt.
Wenn hinter einem DNA-Match mit wenigen cM Übereinstimmung ein umfangreicher, richtig recherchierter und mit Quellen hinterlegter Stammbaum steht, bringt das mehr, als viele cM Übereinstimmung und ein kurzer oder sogar fehlerhafter Stammbaum. In meinem Beispiel haben mehrere Matche mit nur wenigen cM die Hinweise für die Lösung eines Problem geliefert.
Mit der Familienforscherin Sabine D. schreibe ich seit 2 Jahren. Unsere Vorfahren von der väterlichen Seite lebten in Tempelburg und dem wenige km nördlich gelegenen Dorf Groß Schwarzsee im Kreis Neustettin.
Viele Personen kommen in beiden Stammbäumen vor. Um die Ecke sind wir mehrfach verschwägert, nur gemeinsame Vorfahren wurden nicht gefunden.
Ein DNA-Test kann in so einem Fall häufig Gewissheit bringen.Sowohl Sabine als auch ich hatten einen Test bei Ancestry gemacht, aber bei uns wurde keine Übereinstimmung angezeigt.
Nachdem sie dann auch von ihrem Vater einen Test machen lässt, sieht es besser aus. Bei Ancestry werden 9 cM und bei GEDmatch 8,5 cM bei 1.784 SNPs angezeigt. Bei diesen Werten sollte das ein echter Match sein, wobei die wenigen cM darauf hinweisen, dass die gemeinsamen Vorfahren schon vor längerer Zeit geboren wurden, was wegen fehlender Kirchenbücher schwer nachweisbar ist.
Darum rutschte dieser Fall zunächst in der Prioritätenliste weit nach hinten.
Kürzlich schrieb Sabine, dass sie in meinen Stammbaum den Namen Ballwanz entdeckt hat. In ihrem sind Balfanz und darüber könnte unsere Verbindung sein. Für mich sehr überraschend, denn meine Ballwanz sind von der mütterlichen Seite. Mein Ballwanz-Zweig ist kurz, nur 3 Personen. Außerdem lebten sie im Bereich Groß Sabow im Kreis Naugard.
Der Name Balfanz/Balwanz/Ballwanz wird je nach Wohnort unterschiedlich geschrieben. Im Nahbereich um Gramenz im Kirchenbuch und Standesamtsunterlagen nur Balfanz. In den Standesamtunterlagen von Poplow tauchen beide Schreibweisen auf, auch bei denselben Personen. Im Kirchenbuch Groß Sabow beim Heiratseintrag meiner Ur-Ur-Ur-Ur-Großeltern noch Balwanz. Später nur noch Ballwanz.
Ein kurzer Blick in die Matchliste meiner Mutter reichte, dort wurde bei Ancestry ein Match von 8 cM mit Sabines Vater angezeigt. Ein Vergleich bei GEDmatch zeigt, dass der übereinstimmende Bereich im Match meiner Mutter und bei mir in einem identischen Bereich im Chromosom 16 liegt. Sie hat diesen somit komplett an mich weitergeben.
Damit ist mit hoher Wahrscheinlichkeit sicher, dass die verwandtschaftliche Verbindung nicht über die vielleicht Tür an Tür wohnenden väterlichen Linien, sondern wahrscheinlich über eine mütterliche ist und die haben seit mindestens 1750 in den Kreisen Greifenberg und Naugard sowie nördlich und östlich von Berlin gelebt.
Für die weiteren Ermittlungen habe ich auf der Ancestry-DNA-Matches-Seite über die Funktion
- Suchen
- Nachname in den Stammbäumen von Matches
passende Matche für meine Mutter, ihrer Schwester Hilde und Sabines Vater mit Ballwanz, Balwanz und Balfanz gesucht.
Es wurden aber nur Matche mit geringen Übereinstimmungen gefunden.
Die Suche ergab folgende Matche:
meine Mutter: 1 Match in den USA zu Balfanz aus Gramenz,
Tante Hilde: 1 Match in den USA zu Balwanz aus Poplow,
(Poplow liegt 20 km südwestlich von Gramenz, dort wurde mein Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater am 24.11.1778 geboren.)
Sabines Vater: 5 Matche in den USA zu Balfanz aus Gramenz.
Die Daten aus den Stammbäumen der Matche wurden geprüft und mit Angaben aus dem noch vorhandenen Kirchenbuch von Gramenz berichtigt und ergänzt.
Die durch die Matche mit nur geringen cM-Werten gewonnenen Indizien lassen folgende Schlüsse zu:
Meine mütterliche Linie ist bis zu meinem 5-fach Urgroßvater „Häusler“ Balwanz aus Poplow, geboren um 1750, korrekt und ohne Kuckuckskind.
Der Vater meiner Mutter und ihrer Schwester Hilde, mein Grabs-Großvater, hätte mindestens je einen Match zu den Balwanz aus Poplow und Balfanz aus Gramenz.
Die Matche von Sabines Vater zu den Balfanz aus Gramenz sind die Verbindung von ihren Vorfahren aus Groß Schwarzsee über die Balwanz aus Gramenz und/oder Poplow zu meinen Ballwanz im Kreis Naugard. Es geht um mehrere Ecken, dieser Weg dürfte aber richtig sein.
Die Suche nach der genauen verwandschaftlichen Beziehung ist schwierig, denn die gemeinsamen Vorfahren wurden vor 1750, wahrscheinlich um 1700, geboren. Kirchenbücher gibt es für diesen Zeitraum nicht. Aber vielleicht noch einen Zufallsfund. Man muss nur Geduld haben.
Das für diese so weit zurück liegende Zeit überhaupt noch ein DNA-Match angezeigt wird, habe ich dem Umstand zu verdanken, dass meine Mutter 1920 und ihre Schwester 1925 geboren wurden, denn mit weit zurückliegenden Geburtsdaten kommt man auch weiter in die Vergangenheit.