Der Gutshof von Paraschin – eine Ergänzung zum Reisebericht vom Juli 2022, der an dieser Stelle in unserem Blog erschien.

Ein Beitrag von Dr. Barbara Becker

Nach der Reise in die Heimat meiner Vorfahren im Sommer 2022 hatte ich versucht, mehr über das Gut Paraschin/ Parascyno herauszufinden.
Das Landesamt für Denkmalschutz in Danzig erwies sich als die gesuchte Quelle. Auf meine Anfrage, ob es Pläne und Unterlagen zu dem Gutshof gäbe, bekam ich nach einem freundlichen Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter tatsächlich umfangreiche Pläne zugeschickt. Darin wird u.a. die bewegte Besitzergeschichte des Gutes beschrieben.

Abb. 1: Ansicht des Gutes

1. Die Besitzer von Paraschin/ Paraszyno

Zur Geschichte von Paraschin/ Paraszyno heißt es, dass der Ort erstmals 1437 Erwähnung fand.

1488 schenkte der pommersche Herzog Boguslaw X. das Dorf an Wawrzyniec Krokowski. Paraschin/ Paraszyno stand unter polnischem Recht und zahlte Steuern in Naturalien.1

Zwischen 1493 und 1601 war die Familie von Jeckel im Besitz von Paraschin. Wahrscheinlich wurden in dieser Zeit das Herrenhaus und die Nebengebäude errichtet.

In der Folgezeit ging der Besitz auf die Familie von Borsche (oder von Borske) über; später wurde das Gut zunächst in drei Teile geteilt. Es folgte ein häufiger Besitzerwechsel. Hier sind die Familien von Sdune, von Bochen und von Paraski zu nennen.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ging der Besitz eines Teiles an die Witwe von Baumgart. In ihrer Zeit entstand ein neues Herrenhaus, das bis heute erhalten ist. Später wurde der Besitz an Köhln von Jaski verkauft.

Im Jahre 1837 erwarb Stanislaw Zelewski, der die restlichen Anteile besaß, auch den Teil von Jaski, so dass das Gut wieder ein Ganzes war. Das Herrenhaus wurde teilweise umgebaut, und man erweiterte den Gutshof sowie die angelegten Nutzgärten. Um 1850 erbten Stanislaws Söhne – Fryderyk und Eberhard – das Gut. Doch sie blieben nicht in Paraschin, sondern ließen sich auf Gut Barlomina nieder, während ihre Schwester Leontyna nach der Heirat mit Oskar von Dorne auf dessen Gut Klein Boschpol zog.

Nach dem Tod der beiden Brüder (Fryderyk + 1876; Eberhard + 1904) ging das Gut auf Anna Maria Zelewska über. Im Hinblick auf ihre geplante Heirat begann man mit der Renovierung des Herrenhauses: Die Fassaden wurden verändert, ein Küchenanbau hinzugefügt, die Veranda verglast, die Innenräume des Herrenhauses nach der herrschenden Mode dekoriert, Gebäude und Garten mit einem Holzzaun auf einem Steinfundament umgeben. An der Ostseite wurden ein naturalistischer Garten angelegt und ein hölzernes Gartenhaus zum Ausruhen aufgestellt.

1907 heiratete Anna Ernst von Besser. Bis 1945 lebte die Familie auf dem Gut.

In den Akten des Danziger Landesamtes für Denkmalschutz heißt es dazu nur:

„Rodzina Besserów zamieszkiwala tam az do 1945 r., po czym wyjechali do Niemiec, pozostawiajac caly swój dobytek.“

„Die Familie von Besser lebte dort bis 1945, danach verließ sie Paraszyn und ließ ihr gesamtes Hab und Gut zurück.“

Das gesamte Anwesen ging in den Besitz des polnischen Staatsschatzes über, das Land wurde parzelliert, der Gutskomplex den Paraszynern Teofil Wujek und Teofil Stolc übergeben. Einige Räume des Herrenhauses wurden als Wohnungen, andere für wirtschaftliche Zwecke genutzt. Aufgrund fehlender Renovierungen begann das Ganze zu verfallen.

Im Jahr 1976 übernahm die „Staatliche Fischzucht“ das Gut, die Situation änderte sich jedoch nicht. Ab 1978 gingen die Verantwortung für das Herrenhaus sowie 4 ha Land an die „TECHNIROL“ in Danzig über. An dem bereits stark zerstörten Herrenhaus wurden Schutzreparaturen durchgeführt und Vorbereitungen für die eigentliche Renovierung und Anpassung des Herrenhauses für die Nutzung als Freizeitzentrum getroffen. Die Renovierung wurde am 16. November 1987 abgeschlossen. Die TECHNIROL übernahm auch das von der Staatlichen Fischzucht vernachlässigte Grundstück des Forellenzuchtzentrums. Es war beabsichtigt, auf dem gesamten Gelände einen Biobetrieb einzurichten, dessen Hauptziel die Aufzucht von Forellen und die Erzeugung gesunder Lebensmittel auf der Basis von Biohumus sein sollte. Das Projekt wurde jedoch nicht verwirklicht. Das Herrenhaus wurde zusammen mit dem Park dem Unternehmen „IGLOPOL-DEBICE“ mit Auflagen übergeben und diente bis 1991 als Gästehaus des Unternehmens.

Im Jahr 1992 – als Folge des Gesetzes über die Kommunalisierung von Eigentum – übernahm die Gemeinde Leczyce das Anwesen und verpachtete es an Marek Olszówka, der hier einen Hotel- und Gastronomiebetrieb eröffnete.2

1996 – nach nur 4 Jahren – wurde der gesamte Betrieb verkauft. Neuer Besitzer wurde Arkadiusz Andrzejewski aus Zakopane. Das Herrenhaus war weiter Ort für Feste und Familienfeiern.

Weiter heißt es in den Dokumenten des Landesamtes für Denkmalschutz, dass das Gut nach Abreise der Besitzer eine Zeit lang leer gestanden habe und es dann zu mehreren Einbrüchen gekommen sei. Möbel wurden gestohlen, die Kupferheizungsrohre aus Böden und Wänden herausgerissen und entwendet. Auch nach Überschreibung des Anwesens an die Tochter der Besitzer blieb das Gut leer, wurde lediglich von Hunden bewacht.

Dann gab es eine Chance, den alten Glanz des Gebäudes wiederherzustellen: Die Produzenten des Films „Old People“, ein von Netflix produzierter Horrorfilm, interessierten sich für das Herrenhaus. Der Film wird seit 2022 ausgestrahlt – ein wirklich schauriger Horrorfilm, bei dem schon nach ca. 9 Minuten das Gut Paraschin erscheint.3

Derzeit wird das Herrenhaus einer umfassenden Renovierung unterzogen. Die Rohbauarbeiten sind abgeschlossen. Im Zuge der Bau- und Erhaltungsarbeiten konnte der größte Teil der Stein- und Ziegelmauersubstanz erhalten werden. Die Holzdecken und der Dachturm wurden weitgehend ersetzt.

2. Beschreibung und Pläne des Gutshauses

Das Herrenhaus liegt im zentralen Teil des Dorfes, an der Kreuzung von Lowz Görne nach Klein Boschpol/ Bozegopole Male und von Rozlasin nach Strzebielno, ca. 3 km von der Straße Wejherowo-Lebork entfernt.

Abb. 2: aus den Dokumenten des Landesamtes für Denkmalpflege, Danzig

Paraschin/ Paraszyno ist im Tal der Leba gelegen. Es ist im Osten und Westen von hohen bewaldeten Talhängen und im Norden und Süden von den an den Fluss angrenzenden Wäldern umgeben. Der Gutskomplex befindet sich auf einer Anhöhe am Zusammenfluss zweier Täler: dem Tal des Flusses Leba und dem kleinen Tal des Baches, der zur Leba führt.

Abb. 3: aus den Dokumenten des Landesamtes für Denkmalschutz, Danzig. Lage des Gutshofes

Das Herrenhaus wurde im südlichen Teil des Gutskomplexes erbaut, in der Hauptachse des Anwesens, mit einer Zufahrt auf der Seite des Herrenhauses. Der Garten ist von einer niedrigen Steinmauer umgeben.

Die Fundamente des Herrenhauses bestehen aus Feldsteinen, die Wände im Erdgeschoss aus Ziegeln, die Giebel sowie die Abteilungen im Dachgeschoss aus Fachwerk. Das eingeschossige Gebäude weist ein zweigeschossiges Mansardendach auf.

Das Gebäude hat einen rechteckigen Grundriss mit einem Eingang in der Hauptachse und seitlichen Flügeln. Im Westflügel befindet sich ein Küchenanbau, im Ostflügel eine Veranda. Über eine Treppe gelangt man in die Eingangshalle.

Abb. 4: Grundriss des Herrenhauses, aus den Dokumenten des Landesamtes für Denkmalschutz in Danzig

Im Zuge der Restaurierungsarbeiten wurde die Aufteilung der Innenräume beibehalten. Von den historischen Einrichtungsgegenständen hat man die Treppe und den Kamin im Wohnzimmer restauriert; weitere Arbeiten werden noch durchgeführt.

Durch die freundliche Unterstützung des Landesamtes für Denkmalschutz in Danzig konnte ich somit einen „Einblick“ in das Herrenhaus in Paraschin/ Paraszyno bekommen.

Zu den Wohnbedingungen meines Vorfahren Carl Bartsch, der hier als Jäger angestellt war, gibt es keine Hinweise. Wie ich in meinem Reisebericht 2022 bereits geschrieben hatte, war er ab 1820 Lehrer in der neu gegründeten Schule im nahegelegenen Dorf Przetoczyn geworden. Seine Ausbildung hatte er im Lehrerseminar Conradinum in Jenkau/ Jenkowo bei Danzig absolviert. Leider konnte ich bislang keine Dokumente von dort bekommen. Auch das Staatsarchiv in Danzig half hier nicht weiter. Ich hatte gehofft, in seinem Lebenslauf einen Hinweis auf seinen Geburtsort und seine Eltern zu finden.

Natürlich würde ich mich sehr freuen, falls ein Leser meines kleinen Berichtes mir bei dieser Frage einen Tipp geben könnte.

Zum Schluss möchte ich Frau Bernadette und Herrn Boguslaw Nieradzik großen Dank aussprechen, die mir die polnischen Texte übersetzt haben und mir dadurch überhaupt erst den Einblick in die polnischen Dokumente ermöglichten.

Quellen:

  • Cramer, Reinhold „Geschichte der Lande Lauenburg und Bütow“, Königsberg 1858, S. 292, III. Verzeichnis der Güter und Dörfer im Lewinburger Gebiete mit ihren Diensten und Abgaben von 1437
  • Diese Informationen habe ich den Dokumenten des Landesamtes für Denkmalschutz in Danzig entnommen.
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Old_People