Ein Beitrag von Hilde Stockmann
Erst ein Gesetz vom 22. Juni 1889, welches die Einführung ab 1. Januar 1891 vorsieht, brachte eine gesicherte Rente. Dies war durch die Bismarcksche Sozialreform möglich geworden. Dabei wurde die Rente erst ab dem 70. Lebensjahr gezahlt. Im Jahre 1916 wurde der Anspruch auf eine Rente auf 65 Jahre herabgesetzt.
Wie sicherten sich aber die Menschen vor dieser Zeit ab? Aus Zempin ist uns ein Beispiel durch den Erbteilungs-Rezess des Bauern und Schulzen Martin Lüder geb. 08.02.1797, gest. 09.12.1865 mit Gültigkeit vom 01. Oktober 1863 bekannt.
Früher war die Großfamilie für die Versorgung aller Mitglieder zuständig. Dadurch, dass die Frau des Martin Lüder, Christine geb. Dosin, im Jahre 1857 gestorben war, übergab der Bauer seinen drei Kindern oder deren Nacherben das Erbe, welches er auf den Pfennig genau geschätzt hatte und vor dem Notar bestätigte.
Aber aus seiner Lebenserfahrung heraus wollte er sich absichern, wenn doch ein Kind nicht bereit war, ihn zu versorgen. So wird in der Urkunde folgendes festgehalten:
Für die Entschlagung seiner Vermögenschaften von 6865 Thaler, 10 Silbergroschen und 9 Pfennige bedingt sich der Altsitzer Martin Lüder senior folgendes Altentheil aus:
- Freie Wohnung, Essen und Trinken, ärztliche Pflege und Wäsche auch unentgeltliche Hergabe eines Fuhrwerkes zu etwaigen Reisens. Der Martin Lüder senior soll berechtigt sein, sich bei demjenigen seiner Kinder aufzuhalten, bei dem es ihm gefällt und dieses soll zur Hergabe des vorstehenden Altenteils verpflichtet sein, welche Verpflichtung auf desjenige der Kinder übergeht, bei deren in Folge des ihm jederzeit zustehenden Wechsels seines Aufenthaltes nimmt. Die beiden anderen Kinder haben demjenigen welcher des Altenteils gewährt, die auf sie fallenden 2/3 des Altentheils zu erstatten.
- Von jedem der drei Erben jährlich 14 Thaler baar an Taschengeld, ein neues Hemde, eine eigengemachte wollenen Hose, eine ebensolche Weste und ein Paar neue wollene Strümpfe und ebenso von jedem der drei Erben jährlich noch einen Thaler für den Fall, dass das Bett, welches der Martin Lüder senior im Besitz hat, schlecht werden sollte.
- Jeder der Erben und zwar:
a.der Bauer Peter Christian Heinrich Lüder
b. der Schulze Joachim Lüder
c. die Witwe Seeck und deren Kinder
resp. deren Erben und Rechtsnachfolger sind verpflichtet, dem Martin Lüder senior 1000 Thaler geschrieben: Eintausend Thaler, für den Fall zuzustehen, dass sie ihre Wirtschaft verkaufen, versterben und die überlassenen Grundstücke in fremde Hände gerathen, oder für den Fall, daß der Martin Lüder senior sich veranlasst sieht, den Genuß des Altentheils aufzugeben, wes ihm freisteht.
Diese je 1000 Th sollen jedoch nach dem Tode des Martin Lüder senior immer an denjenigen Erben zurück fallen, welcher sie gezahlt hat, somit sie Martin Lüder senior nicht verbraucht haben wird.
- Ferner reserviert sich der Martin Lüder die lebenslängliche Nießbrauch
a. des Kathnergrundstücks No. 18 zu Loddin nebst der Zubehausungen.
b. des zu dem Hofe No. 1 zu Zempin gehörenden Forstgrundstücks in der Moeske des Zinnowitzer Reviers.Die etwaigen Reparaturen an dem Kathen haben während dieses Nießbrauches alle drei Erben zu gleichen Theilen zu tragen, der Schulze Joachim Lüder und die Wittwe Seeck jedoch werden die Handarbeiten und etwaige Fuhren dazu leisten. - Schließlich verbleibt dem Martin Lüder senior das Mobiliar, welches er sich zu seinem persönlichen Gebrauch bereits ausgesucht hat.
Während der Ausarbeitung dieses Vertrages verstarb der Sohn Peter Christian Heinrich Lüder. Seine Frau Sophie geborene Kreßmann musste sich nun mit sieben Kindern im Alter von 2 bis 10 Jahren ernähren. Die Witwe Anna Marie Christine Erdmuthe Seeck geb. Lüder hatte fünf Kinder.
Der Martin Lüder senior verstarb im Dezember 1865 in Zempin, so dass er nur gut zwei Jahre sein so sorgsam ausgearbeitetes Altenteil genießen konnte.