Wenn im Kirchenbuch neben den Einträgen aus der eigenen Familie auch ein bekannter Name auftaucht, wird man neugierig. So ging es mir mit dem Taufeintrag von Albert von Roon 1803 im Kirchenbuch von Schulzenhagen, Kreis Köslin.

Wikipedia sagt zu ihm (er firmierte immer unter dem Vornamen Albrecht)  „war ein preußischer Generalfeldmarschall. Als Kriegsminister hatte er wesentlichen Anteil am Erfolg Preußens in den Deutschen Einigungskriegen. Er gehört zu den bedeutendsten Heeresreformern seiner Zeit.“…Im Jahr 1873 war er preußischer Ministerpräsident.

Geboren wurde er am 30. April 1803.

Quelle http://www.skany.koszalin.ap.gov.pl/26/73/0/0/179/018.JPG

Taufpaten des jungen Albrecht waren sein Großvater, Johann Noa von Roon aus Frankfurt/Oder , seine Großmutter, die Majorin von Borke in Altdamm (das war Johanna Christina Elisabeth geb. von Osten) und ein Herr Friedel, Cammergerichtsrat und Domherr in Berlin. (vermutlich Christian Emanuel Friedel (1745-1811)

Im Januar 1802 war dem Elternpaar bereits ein Sohn geboren worden, der aber am 8. Mai 1802 an Stickfluß verstarb. So blieb Albrecht das einzige Kind des Paares.

Quelle http://www.skany.koszalin.ap.gov.pl/26/73/0/0/179/017.JPG

Als Albrecht 5 Jahre alt ist, verstirbt sein Vater mit 40 Jahren in Pleushagen an Entkräftung.

Quelle http://www.skany.koszalin.ap.gov.pl/26/73/0/0/179/031.JPG

Albrecht von Roons Geburtstag jährt sich zum 220sten Mal in diesem Jahr. In der Solinger Zeitung vom 30. April 1903 fand ich zur Erinnerung an Roons 100. Geburtstag den folgenden Artikel, der viel über die Jugend in Hinterpommern und die Familie von Albrecht von Roon erzählt:

Aus Roons Jugendzeit – von J. Eltz

Schon 24 Jahre sind verflossen, seitdem Generalfeldmarschall Graf von Roon das Zeitliche gesegnet hat, aber sein Bild lebt fort im deutschen Volk als das eines der großen Heerführer, die das Schwert zu den Siegen der deutschen Kriege geführt haben. Und gerade jetzt, da zum hundertsten Mal der Tag wiederkehrt, an dem er geboren wurde tritt seine kraftvolle Erscheinung mit dem nie verzagenden Kampfesmuth und seiner nie versiegenden Treue wieder vor unser geistiges Auge. Es wäre wohl überflüssig, daran zu erinnern, was Roon,  der sich als den Feldwebel in der großen Compagnie der Armee, deren Hauptmann der König selbst ist“, bezeichnete, für das deutsche Vaterland gethan und wie er zu den höchsten Stufen emporgestiegen ist. Das weiß jeder Deutsche, und deshalb sei dieses Gedenkblatt einigen Mitteilungen über seine Abstammung, seine Kindheit und  seine erste Jugendzeit gewidmet.

Die Familie Roon stammt aus Holland und war aus einem„sehr alten und edlen Geschlecht.“ Es werden mehrere niederländische Geschlechter von Roon, auch van Roden, Rooden, Rhoon, de Roon und de Ron erwähnt, die wahrscheinlich an einziges Geschlecht bilden. Es stammt von dem Geschlecht Duyveland ,(Duiveland, Duveland) ab und besaß, wie Leeuwen 1685 berichtet, die Herrschaft Roon auf der Insel Ysselmonde über 500 Jahre bis dieselbe in der zweiten Hälfte des 17. schrbunderts durch Kauf an den Jonkheer Willem Bentink, Heeren van Drimmelen, überging, dessen Nachkommenkommen sie durch Generationen zugehörte.

Im Jahre 1555 oder 1567 verließ Blasius von Roon infolge der spanischen Religionsverfolgungen die Niederlande und ließ sich als Bankier in Frankfurt a. M. nieder. Einer seiner Nachkommen, die sich im Reiche ausbreiteten (Worms, Cleve u. s. w.), Johann Noah, kam 1765 nach Berlin, und dessen Sohn Isaak Heinrich Friedrich wurde der Vater des großen Roon.

Die niederländische Familie von Roon leitet Ihren Ursprung bis in die Zeit des Kreuzfahrers Gottfried von Bouillon zurück. Eine mit dem 14 Jahrhundert beginnende Stammeiche des Roonschen Geschlechts findet sich fast genau übereinstimmend in der 1636 in Haag erschienenen „Chronyke von Holland, Zeeland u. s. w.“ von W. von Goutheuven und in der „Batavia illustrata“, die S. van Leeuwen 1685 in Haag veröffentlichte. Die Familie von Roon bekannte sich zur reformierten Konfession, und daher erklären sich die bei ihr sich fortgesetzt wiederholenden alttestamentlichen Vornamen, die bei den Puritanern und den streng Reformierten üblich waren. Ein Teil der Mitglieder der Familie Roon war übrigens katholisch geblieben und kämpfte in den Niederlanden auf spanischer Seite gegen die Prinzen von Oranien und ihre Partei. Einer derselben war sogar Feldmarschall und befehligte 1796 die die spanischen Truppen bei der Belagerung von Hulst bei Antwerpen.

Ein Zweig der Familie von Roon wandte sich frühzeitig nach Württemberg und Bayern, wo, ebenso wie in Oesterreich, im vorigen Jahrhundert noch Angehörige des Namens existirten. Verwandte dieses Zweiges sollen nach Schweden ausgewandert sein, und zwar wird berichtet, einer der letzten Bischöfe von Upsala habe der Familie angehört.

In seinem letzten Lebensjahre (1878) hat der greise Feldmarschall einige Aufzeichnungen aus seinem Leben theils niedergeschrieben, theils diktirt. Sein Sohn hat dieselben wiedergegeben in den „Denkwürdigkeiten aus dem Leben des General= Feldmarschalls Kriegsministers Grafen von Roon.“

Die Kindheit Roons fiel, wie er selbst sagt, in eine böse und harte Zeit, nämlich in die bedrängteste und niederbeugendste Periode der vaterländischen Geschichte. Nicht minder bedenklich waren die Familienverhältnisse, unter denen er aufwuchs.

Am 30. April 1803 wurde Roon zu Pleushagen bei Kolberg geboren und am 8. Juni auf die Namen Albrecht Theodor Emil getauft.

Roon als junger Mann, entnommen den „Denkwürdigkeiten“ s.u.

„Meine frühesten Erinnerungen,“ schreibt Roon, „reihen sich an ein kleines, sehr einfaches Wohnhaus, in welchem meine Eltern mit mir, ihrem jüngsten und einzig überlebenden Kinde, meinem Milchbruder Hans Wendt und einigen Dienstboten lebten. Es stand wenige hundert Schritte von den Dünen und vom Strande der Ostsee, deren brüllende Brandung mir meine Schlaf raubte, nicht Wiegenlieder sang, denn ich habe nie in einer Wiege gelegen, einem Institut, welchem mein Vater, weil es die Kinder verdumme, das Heimathsrecht im Hause verweigert haben soll. Vor und neben dem Wohnhause, rings um einen kleinen, meist sehr kleinen schmutzigen Hof, lagen die Wirthschaftsgebäude und Viehställe; hinter dem Hause ein ganz kleiner Garten, in welchem Blumen, namentlich herrliche Provence=Rosen blühten und sehr große Herzkirschenbäume wenigstens vorübergehend von großem Interesse für den Knaben waren. Daneben, getrennt durch die Wirthschaftsgebäude, lagen noch größere Obstgärten, unter deren verheißungsvollen Bäumen wunderbar schöne, mit Veilchen und Schlüsselblumen geschmückte Rasenstücke, Tummelplätze der schönsten Knabenspiele sich ausbreiteten. Ich will mich indeß durch diese erfreulichen Erinnerungen an den Schauplatz meiner Kindheit nicht zu einer ausführlichen Beschreibung desselben verleiten lassen. Dennoch muß ich der Dünen gedenken, als des Tummelplatzes meiner Kinderfreuden. Wie himmelhoch erschienen sie mir doch! Und wie herrlich ruhte sich’s auf dem weichen trockenen Sande, der jeden Punkt des ausgestreckten Leibes willig trug und stützte! Welch ein Behagen, von solch sybaritischem Lager in den Himmel zu starren und die Wolkenbilder zu betrachten! Ja, Düne!

Ich habe diese anmuthige Erinnerung zugleich als eine Stilprobe Roons wiedergegeben. Bekanntlich spielt das Poetische in dem Leben eines hohen Militärs meist keine große Rolle. Roon hat einmal, als er schon berühmt war, mit Rührung seinen Heimathsort wiedergesehen, während er sich auf der Suche nach einem Gut befand, das er für seine Familie kaufen wollte. In einem Briefe an seine Frau schrieb er am 1. Juli 1867 u. A.:

„Gestern, Sonntag, fuhren wir über Schulzenhagen, wo man mich getauft und meinen Vater begraben hat, nach Pleushagen. War das eine wehmüthig freudige Fahrt! In Pleushagen buchstäblich kein Stein mehr auf dem alten Fleck, aber ich war vollkommen richtig orientiert. Ich hätte die alte Scholle gewiß nicht wiedererkannt, wäre ich mit einem Zauberschlage auf dieselbe gesetzt worden, aber darüber unterrichtet, wo ich sei, würde ich nachher nimmer fehl gegangen sein. O wie klein alles, was im Kindesspiegel so groß erschienen war! Es lebt noch ein Mensch, mit dem ich vor 60 Jahren gespielt, ein braunrothes Gesicht unter ergrauendem Haar: Jakob Thadwal rühmte sich, mich, der ich einige Jahre jünger, oft im Kinderwagen durch den Dünensand gezogen zu haben. Ich schenkte ihm einige Thaler und erinnerte ihn zu seiner Verlegenheit an die Püffe, die er mir gegeben.— Ich bin nicht sentimental den wirklichen Dingen gegenüber, aber hinterher habe ich mich seit gestern einigemale auf sentimentalen Anwandlungen ertappt, wenn ich mir vorstellte, daß meine wankenden alten Füße nun den Boden wieder betraten, auf dem ich geboren und auf dem sie einst gehen lernten: und daß ich dieselben Dünen wieder mühsam durchkroch, die einst den kleinen Beinen und noch schwachen Kräften des Bübchens wie Chimborassos erschienen.

— Die See aber hatte das alte Gesicht und das alte Lied.——“

Roons Vater, Isaak Heinrich Friedrich, hatte in seiner Jugend ein ungeordnetes Leben geführt. Er war schon zweimal verheirathet gewesen, als er wegen eines Straßenkrawalls zu 6 Monaten Festung verurtheilt wurde. Während dieser Zeit lernte er die Tochter der verwittweten Majorin von Borcke, der strengen Oberhofmeisterin der Prinzessin Elisabeth von Braunschweig=Wolffenbüttel, kennen und entführte sie 1796 nach Hamburg, da die Mutter in eine Heirath nicht willigte. Später söhnten die beiden sich jedoch mit der Mutter aus und erhielten die Besitzung Pleushagen. Sie verstanden sich jedoch nicht auf die Wirthschaft, waren beide kränklich und lebten in keinem glücklichen Einverständniß. Dazu kam dann noch die Kriegsnoth. So ist es begreiflich, daß die Eltern sich um den kleinen Knaben wenig kümmerten, der auf sich selbst und auf die freie Natur angewiesen war, in der sich sein Körper kräftigte. Der Vater starb 1811, und nun kam Albrecht auf kurze Zeit zum Pastor in Sohrenbohm in Pension. Bald darauf siedelte seine Mutter nach Alt=Damm bei Stettin über, und dort erhielt der Knabe unter Leitung seiner energischen, patriotischen Großmutter Unterricht. Als diese starb und die Mutter schwachsinnig geworden war, nahm seine Tante Henriette Frankenberg sich seiner an. Ein Jahr lang besuchte er eine Schule in Berlin und kam dann in das Kadettenhaus zu Kulm(1816.) Die Anstalt ließ allerdings sehr viel zu wünschen übrig(das ganze Lehrpersonal bestand nur mehr aus einem Professor, einem Zeichenlehrer, einem Fechtlehrer und einem Tanzmeister), aber Roon eignete sich doch viele Kenntnisse dort an, und vor allem gewöhnte er sich dort an den altpreußischen, spartanischen Geist.

Im Mai 1818 siedelte Roon mit 34 anderen Kadetten nach Berlin über. Unter den drei fähigsten wurde Albrecht von Roon genannt, dem der Major von Wogna in die Zensur geschrieben hatte: „Er verspricht unendlich viel.“ Im Berliner Kadettenkorps war man vor allem bemüht, die Schüler „moralisch und charaktervoll zu machen.“ Roon mußte mit dem Gelde sehr sparsam umgehen, und als er zu seiner Tante auf Urlaub zurückkehrte, war er sogar gezwungen, sich einen Mantel zu leihen. um sich nicht zu erkälten. Trotzdem war er stets heiter und frisch, und er zeigte bei allen Leidesübungen große Kraft und Geschicklichkeit. Da er etwas untersetzt war, wurde er vielfach „der dicke Roon“ genannt. Erst am Schluß der Kadettenzeit nahm er an Körperlänge erheblich zu und noch mehr später, als er schon Offizier geworden war.

Sein Erzieher, der Kompagniechef Kapitän von Chappuis, rieth ihm, sich von allen politischen Parteibestrebungen fernzuhalten, und das war wohl auch der Grund, weshalb Roon sich auch später der Theilnahme am Parteiwesen stets abgeneigt zeigte.

Während Roon sich auf die Offiziersprüfung vorbereitete, kam er verschiedene Male in das Schloß des Königs, wo er Pagendienste zu leisten hatte. Einst war er bei einem Galadiner so ungeschickt, das große Ordensband seiner künftigen Monarchen mit Bratensauce zu begießen. Er erzählte dies später oft, indem er dabei bemerkte, es sei seine Strafe geworden, daß bei allen Meldungen oder sonstigen Begegnungen mit dem König, sogar noch Jahrzehnte nachher, er unter Gewissensqualen immer wieder daran erinnert worden sei, weil die verrätherischen Flecken noch immer zu bemerken waren.

Am 9. Januar 1821 wurde Roon zum Sekondeleutnant ernannt und dem
14. Infanterieregiment zugetheilt. So trat er ins militärische Leben, in dem er zu den höchsten Stufen hinaussteigen sollte. Er war allerdings ganz mittellos, ohne Verbindungen und ganz auf sich selbst angewiesen. Aber er überwand mit frischem Muthe alle Schwierigkeiten und Entbehrungen. Sein Sohn sagte in seinen Denkwürdigkeiten: „Einfach und ohne Ansprüche erzogen, daher bedürfnißlos oder doch mit sehr wenigem zufrieden, rüstig und gesund an Leib und Seele, war er in seinem lebendigen Gottvertrauen, seinem kernfrischen Wesen weit davon entfernt, sich die frohe Gegenwart durch Zukunftssorgen zu verkümmern. Er wollte, ohne die ihm etwa zufallenden Freuden des Daseins zu verschmähen, frischen Muthes seine Pflicht thun, alles übrige würde sich finden. Ein rechter, ganzer Mann wollte er werden: in diesem Sinn übersetzte er den Wappenspruch in gutes Deutsch: „Unverzagt, vorwärts mit Gott!“ und ließ ihn sich lebenslang zur Richtschnur nicht nur seines Wollens, sondern auch seiner Thuns dienen: und so ist der arme, unbekannte, in der Welt herumgestoßene Junker, als ein rechter Self=made=man im besten Sinne, seinen Weg gegangen zu den Höhen des Lebens; so hat auch er den Beweisgeführt, der gottlob gerade in unserer preußischen Armeegeschichte verhältnißmäßig am häufigsten gelungen ist: daß wahre Tüchtigkeit sehr wohl zur Geltung gelangen und die höchsten Erfolge erringen kann, auch wenn ihm jegliche Unterstützung von außen her von Kindesbeinen an gefehlt hat.

 

Der Text wurde mit Hilfe von transkribus.ai erfasst.

In seinen lesenswerten Erinnerungen berichtet Roon auch über die prägende Zeit in Altdamm

Roon, Albrecht Theodor Emil von: Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Kriegsministers Grafen von Roon

 

Ein Gedanke zu “Albrecht von Roon aus Pleushagen”

  • Nach meinem Kenntnisstand gibt es im Kreis Görlitz ein Schloss Krobnitz. Dies hat einem General Roon gehört. Es gibt eine umfangreiche Ausstellung. Wer mehr Wwissen will, wendet sich an Dr. Steffen Menzel. Er ist Leiter der Oberlausitzschen Bibliothek ( OLB) in Görlitz.

Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.