Von Klaus Vahlbruch – ursprünglich geschrieben als Mail in die Liste des Vereins für Computergenealogie am 8.3.2016.
Ihr kennt das. Da sind eine ganze Reihe von Fotoalben überliefert, private, aus Urlaubstagen, aus Freundschaften der Eltern oder aus dem beruflichen Umfeld, Höfe, Betriebe etc. Bei mir sind es ca. 20 Stk. von ganz klein (15 x 9 cm) bis (32 x 24 cm) von nur 20 bis zu 60 Seiten, fast alle quer.
Einige fallen auseinander, einige sind fast unberührt.
Und ja, wenige sind beschriftet, fast keines hat rückseitig auf dem Bild eine ursprüngliche Beschriftung Wer-Wann-Wo-Was und viele Bilder sind so fest eingeklebt, dass sie herauszulösen quasi einer Zerstörung gleich käme, also lässt man es.
Aber frühere “Benutzer” hatten da weniger Skrupel, sie lösten oder rissen die Fotos heraus – sie brauchten sie halt – und man erkennt an den schadhaften Flecken in den Seiten: hier!, hier war mal ein Foto – aber welches? Gerade dieses hätte ich gerne. Weg ist es, unwiederbringlich weg!
Wirklich? Manchmal findet sich eines wieder, in Kästchen oder Schachteln in Briefumschlägen – genau das! Heureka!
Ich habe mich über viele Jahre gescheut, dieses heikle Kapitel praktisch anzugehen, Ehrfurcht, Angst zu zerstören, aber auch Unwissen und Unfähigkeit damit etwas Richtiges zu tun. Und nie war “Zeit” dazu, der Berg zu groß, das Ziel ungewiss.
Nun bin ich nach langem hin und her zu einem systematischen Vorgehen gekommen und möchte dieses mit denjenigen, die dies auch kennen, diskutieren indem ich es vorstelle.
Voraussetzung:
– Die Alben, genau so wie sie nun mal sind als *Dokumente* belassen!!!
– ein PC mit einem Flachbettscanner mindestens im A4-Format
– darauf das Bildprogramm: “IrfanView”
– eine handelsübliche Digitalkamera, nix Besonderes
– Bleistift (weich), Radiergummi
– Fineliner edding 1800 0,3, fein blau/schwarz
– Stift: uni-ball SIGNO UM-153 white, mit weißer Tinte,
– Geduld und viel Geduld… und Vorsicht!!!
Das Ziel:
– alle Seiten, alle Bilder hochauflösend als Digitalisat zu sichern, um sie erst einmal jenseits aller inhaltlicher Zuordnung als GANZES, als Album, als Rohmaterial für eine weitere, noch unbekannte Verwendung “im Kasten” zu haben.
Das Vorgehen in Einzelschritten:
- Jede Seite des Albums, vom Vorsatz (Rückseite des Umschlages) bis zu letzten Seite, paginieren (mit Nummern versehen).Bei dunklem Hintergrund verwende ich den Stift mit weißer Tinte, Vorsatz mit #, dann 1,2,3,… bis #, als dem Zeichen, dass kein weiteres Blatt mehr in der Vorlage folgt, und keines in der Vorlage übersehen wurde. Bei hellen Hintergründen verwende ich den weichen Bleistift. Ziel: Sicherung durch Paginierung auf Vollständigkeit geprüft.
- Sofern das Album ganz und/oder in Teilen schon beschriftet wurde (ggfs. bei auslösbaren Fotos, die Rückseite beachten), ergänze oder texte ich strikt nach Ursprungstext die Blätter neben den eingeklebten Fotos, ganz so als wäre ich selbst damals der “EINKLEBER” gewesen. Dies tue ich, wohl wissend, dass ich damit das Dokument “verändere” aber doch nicht so, dass ich es “zerstöre”. Durch die andere Handschrift wird jedem späteren Betrachter deutlich, wann? und wer? diese Eintragungen machte, denn am Ende notiere ich auf der letzten Seite das Datum und meinen Namen.
- Sicherung durch Einscannen (hochauflösend) jede Seite (Pagina) Vor- und Rückseite wird auf dem Scanner hochauflösend (1200 dpi, als *.tif) [1. Den wchtigen und richtigen Hinweis von Klaus, eine Mutterdatei im TIFF format zu erstellen und zu archivieren, möchte ich unterstreichen:
das TIFF (Tagged Image File Format) wird von nahezu jedem Bildbearbeitungsprogramm gelesen und braucht da es unkomprimiert ist,deutlich mehr Speicherplatz als z.B. eine JPG Datei. Das Format kann aber jederzeit wieder verlustfrei geöffnet und gespeichert werden. Das Format ist sehr vielseitig und wird wegen der Unterstützung des CMYK-Farbraums in Druckereien in der Druckvorstufe verwendet.
Bei JPG oder JPEG jandelt es sich um ein komprimiertes Dateiformat, das daher auch deutlich weniger Speicherplatz braucht. Je höher die Komprimierung, umso größer ist der Qualitätsverlust. Wenn wir also bereits als JPG aufgenommenen Bilder nach der Bearbeitung erneut als JPG abspeichern, wird immer weiter komprimiert, das bedeutet also, je häufiger gespeichert wird, desto höher der Qualitätsverlust. Margret Ott ] gescannt. Das erfordert viel Zeit und viel Speicherplatz, den ich aber habe und daher nicht knauserig damit umgehen muß.
- Der Scanner nummeriert automatisch: 000, 001, 002, usw. Jedes Album bekommt auf dem PC einen eigenen Ordner, den ich _inhaltlich_ betexte, z.B.: [Album-1945 Kinderbilder]
Mit dieser Phase ist das Album selbst “erledigt”, und dauerhaft als Digitalisat gesichert (dupliziert). Es wird wieder abgelegt – Regal, Karton, etc. und nur zur späteren NAH-Erkennung von Personen, Orten, Anlässen, etc. wieder hervorgeholt.
Hier verweise ich auf einen erst hinten zu lesenden Hinweis.
“Erledigt” heißt noch nicht vollendet!
- Die Einzel-Seiten (000.tif – 060.tif, …) werden wieder aufgerufen und die einzelnen Bildmotive mit “IrfanView” heraus freigestellt und als solche ganz formal neu im *.jpg-Format im gleichen Ordner wie folgt wieder gespeichert: 001.1.jpg, 001.2.jpg, 001.3.jpg, usw. (Dabei ist es keine Schade, wenn das Freistellen mit etwas mehr Rand oder Fläche herum erfolgt, denn oft ist es tunlich, auf diese Ränder/Flächen später auch mit “IrfanView” -> Zeichen-Dialog -> Texteinfügen inhaltliche Angaben dauerhaft einzupflegen.)
Dieser Vorgang ist in allem ein rein formaler, auch und gerade in der Datei-Betextung, weil ich heute noch nicht vorhersehen kann wann?, wo?, wie? ich dieses Bild inhaltlich mal verwenden will, z.B. in einer Chronik mit einer dann sprechenden Beschriftung:
[1945-01-23] Vahlbruch, Klaus {um 1949, Sophienhof, Wasserpumpe}
(Ein Beispiel eines eher belanglosen Kinderbildes von mir, normal nicht zu verwenden, aber *ich* würde es immer in eine Chronik einfügen wollen.)
Der Vorteil dieser *formalen* Vorgehensweise ist der, dass alle Einzelbilder/Motive exakt bei der [Datei.tif] abgelegt sind/bleiben und ich bei späterer konkreter Verwendung alle Optionen habe, die der jeweilige Verwendungszweck erfordert.
- Lücken und Tücken des Albums
6.a Lücken- erst jetzt sind inhaltliche und/oder formale Änderungen oder auch Ergänzungen angesagt und schadlos machbar. Findet sich später ein Foto, das ich als aus diesem Album stammend erkenne, weil es in der ganzen Machart, dem Ort, der Person, der Kleidung, etc. genau an die im Album leere Stelle gehörig erkenne, so kann ich es physisch und digital wieder zuordnen – physisch durch Beschriftung rückseitig (siehe Stifte) – digital durch 001.1, 001.1a, 001,1b, 001.2, usw. Finde ich später Abzüge gleichen Motivs, so kann ich entweder im Album selber oder in der digitalen Ablage schnell durch die {Wort-Erkennung} hier: > {Wasserpumpe…} eine Zuordnung/Vereinigung vornehmen. (an dieser Stelle ist die Verbindung zu meinem System der Dateibetextung “Achivieren/Ablegen/Betexten” zu erkennen, die an anderer Stelle hinlänglich beschrieben ist.)
6.b. Tücken- Bilder in Alben sind i.a. Regel in bestimmter aber nicht immer noch erkennbarer Absicht gefertigte “Momentaufnahmen”. Da werden Motive aus verschiedenen Zeiten (Kinder) oder Gruppen (Feste) oder Anlässen (Reisen) scheinbar “wild” aneinandergereiht. (in dem Familienalbum meiner Großeltern findet sich hinten “Kaiserin Auguste Victoria Luise” 1858-1921 in einem outfit, als gehöre sie zur Familie. Hätte ich fast nicht bemerkt. Wer kennt die Kaiserin noch?)
– Texte an den Bildern in den Alben können objektiv falsch sein, das ist oft zu erkennen. Dann bleibt zwar das Dokument, wie uns überliefert, erhalten, aber man kann Korrekturen an den Digitalisaten vornehmen und Vermerke (mit Bleistift/Radiergummi) im Album hinterlassen.
– Bilder aus unterschiedlichen Zeiten, die man als solche erkennt, kann man in den Dateien und Ordnern neu betexten oder durch Kopien in andere inhaltliche Zusammenhänge digital überführen, ohne ORIGINALE zu zerstören.
– eine spätere Verwendung eines Bildes aus einem Album, etwa um den 100. Todestag meiner Mutter bei einem Familientreffen im Format DIN A1 zu dekorieren, kann von einer [Vorlage.tif] (1200 dpi) besser erfolgen, als von [Vorlage.jpg] (300 dpi), wie es üblicherweise für eine Chronik ausreichen würde.
Was stellt sich dem, der so vorgeht, in den Weg?
Antwort: Der Anfang, die Dauer, dass man keine Zeit hat.
Durch die Formulierung eines Ziele und die Aufteilung in kleine einzelne Schritte, ist es mir jedenfalls gelungen, mit dieser Arbeit nicht mutlos zu werden. Einzig der erste wesentliche Vorgang, der Digitalisierung hat gefühlt “Schmerzen” und Unwillen erzeugt. Ewig muß man bei 1200 dpi auf den Scanner warten, bis man die nächste Seite auflegen kann.
Aber!
aber selbst diesen formalen Vorgang in x-facher Wiederholung kann man jederzeit unterbrechen und wieder aufnehmen, ohne etwas falsch zu machen. Ein Lesezeichen in das Album und schon geht es an gleicher Stelle weiter. Ist diese langweilige Arbeit bei einem Album geschafft und ausgestanden, ist *alles* geschafft. Jeden anderen Schritt/Bearbeitung kann man beliebig später anpacken, wenn man mal wieder Bock hat, oder mit neuen Erkenntnissen aus der Familienforschung lustvoll wieder antritt.
Ich hoffe anschaulich genug beschrieben zu haben, wie jemand, der über Jahre hinweg nicht wußte, wie mit den diversen Alben umzugehen war, jetzt schlußendlich doch zum erstrebten Ziel kam, diese DOKUMENTE für seine Familienforschung nutzbar zu machen.
Hallo mitsammen,
ich bedanke mich aufrichtig als Nichtmitglied im PG bei Eurer “Blogwartin” 😉 für diese Darstellung meiner Idee(n) und bin auch gerne weiterhin bereit jedem, auch in Einzelmails Rede und Antwort zu stehen oder auch Fehler einzugestehen.
Nicht der hat eine Idee, der sie als erster hatte, sondern der, der sie besser hat.
Herzlich Klaus Vahlbruch aus Büdelsdorf in Schleswig-Holstein