In dem Blogbeitrag vom 31. Januar 2021 habe ich den kurz zuvor von der Gruppe Denkmal Pomorze im Eckerberger Wald nahe beim Kurhaus entdeckten Findling mit der Aufschrift Lina Viek 1920 erwähnt.
Der Findling war von der Gruppe gesäubert, die Inschrift nachbearbeitet und vor Ort für alle sichtbar wieder aufgestellt worden. Wem dieser Stein gewidmet war, blieb unklar. Es gibt nur eine einzige alte Karte, auf der dieses Denkmal nördlich vom Kurhaus Eckerberg, der ehemaligen Wasserheilanstalt eingezeichnet ist. Sie stammt aus dem Jahr 1921:
Ende März musste die Gruppe Denkmal Pomorze entsetzt feststellen, dass der Findling von Unbekannten umgestoßen wurde. Die Gruppe hat schnell gehandelt, ihn abermals aufgestellt und dieses Mal sicherheitshalber zusätzlich einbetoniert.
Verbunden mit der Beschreibung über diesen Einsatz schreibt die Gruppe auf ihrer Facebook-Seite, hier eine automatische Übersetzung ins Deutsche:
Leider haben einige “Gemeinheiten” die Erinnerung an die Vorkriegsbewohner sehr gestört – auf dem Stein befindet sich die Inschrift “LINA VIEK 1920”, was auf ferne Vorkriegszeiten schließen lässt. Ich schätze, es war beunruhigend. Das Unglücklichste ist, dass wir nicht sicher sind, was das Objekt war – es ist möglich, dass es ein Grab war, wahrscheinlicher ist, dass es nur ein Gedenkstein war.
Wem ist der Gedenkstein gewidmet? Bei “Lina Viek” handelt es sich höchstwahrscheinlich um Carolina Amelie Viek (geb. Rosenthal), die Ehefrau von Johann Viek, dem ersten Direktor und Gründer des Kurhauses, das in der Nähe stand. Heute ist es das St. Bruder Albert Krankenhaus in Szczecin.
Ich habe versucht, eine Antwort auf die Frage zu finden: Wer ist Lina Viek 1920?
Die Entstehung der Wasserheil-Anstalt auf dem Eckerberg bei Stettin
Am 10. April 1852 kündigt der Wasserarzt J. Viek in einer kleinen Anzeige in der Ostsee-Zeitung die Eröffnung seiner Wasserheil-Anstalt auf dem Eckerberg bei Stettin zu Mitte Mai desselben Jahres an und bittet um schriftliche Anmeldungen für die Aufnahme in eines der 45 zur Verfügung stehenden Zimmer.
Am 1. Juni 1852 veröffentlicht Viek in derselben Zeitung:
Diese so eben vollendete Anstalt glaube ich der allfertigen Benutzung um so mehr empfehlen zu können, als das Etablissement den Leidenden und Kranken die günstigste Gelegenheit darbietet, die immer mehr Anerkennung findenden heilenden Erfolge der Wasserheilkunst zu erfahren.
Das Kurhaus, am Abhange eines Berges erbaut, gewährt ein schönes Panorama auf Stettin, den mit Wald bekränzten Höhenzug jenseits der Oder und die näher liegende Gegend. Während ein Wald die Anlage nach Norden zu gegen rauhe Winde schützt, gewährt derselbe zugleich schattige Promenaden, die auf der Höhe und im Thale, an Wiesen und Bächen sich fortziehen, um neue malerische Fernsichten darzubieten.
Das reichlich und klar fließende Quellwasser, sämmtliche zur Kur erforderlichen Hülfsmittel in möglichster Vollkommenheit, eine Trennung der Damen- und Herrenbäder u.s.w. empfehlen die Anstalt um so mehr, als sie bei der Nähe der nur ¾ Stunden entlegenen Stadt Stettin zwar die Vortheile dieser Nähe bietet, zugleich aber so fern liegt, um die Erfolge der Kur durch Beeinträchtigung der vorgeschriebenen Diät etc. nicht zu gefährden.
In Betreff meiner Vergangenheit auf dem wasserärztlichen Gebiete, erlaube ich mir darauf aufmerksam zu machen, daß ich meine Ausbildung als Wasserarzt bei meinem Vater, dem Vorsteher einer Wasserheilanstalt zu Rostock begann und dieselbe auf dem Gräfenberg bei dem genialen Vincenz Prießnitz vollendete, nach dem Tode meines Vaters aber dessen Anstalt selbstständig 2 ½ Jahre hindurch leitete. Der einzige Schüler des Prießnitz, wende ich stets die reine Wasserheilmethode an, der ich mit Liebe und Begeisterung anhänge, was ich in meiner mehrjährigen Praxis genügend bewiesen habe. Indem ich diese persönlichen Angaben im Interesse der Heilanstalt für nöthig hielt, möge die selbe hiermit der Theilnahme und dem Wohlwollen des Publikums bestens empfohlen sein.
Die Bedingungen für die Aufnahme sind jederzeit bei mir zu erfahren.
Eckerberg bei Stettin, den 1. Juni 1852
J. Viek
Wasserarzt und Eigner der Wasserheil-Anstalt auf dem Eckerberg
Im August 1852 lädt seine Majestät König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen anlässlich eines in der Gegend stattfindenden Manövers im Kurhaus zu einem großen Fest ein, an dem auch verschiedene Prinzen von Preußen teilnehmen. Auch die Eheleute Viek sind anwesend.
(Die einfache Droschkenfahrt zur Heilanstalt kostet im Sommer 1852 übrigens 20 Silbergroschen, für Hin- und Rückfahrt incl. einer Stunde Aufenthalt zahlt man 1 Reichsthaler.)
Die Wasserheilanstalt hat viele Jahre bestanden, mindestens noch bis 1901. Sie wurde von keinem von Vieks Nachkommen übernommen.
Die Herkunft von Johann Christian Viek
Um den Zeitpunkt der Eröffnung heiratet er Caroline Amalie Rosenthal.
Die Heirat findet am 22. Mai 1852 in der Kirche St. Gertrud in Stettin statt. Aus dem Heiratseintrag geht seine Herkunft unglücklicherweise nicht hervor. Glücklicherweise wird die Ehe jedoch zuvor in mehreren Kirchen aufgeboten, in St. Jakobi in Stettin:
sowie in St. Johannis in Rostock:
Da Rostock nicht in Pommern, sondern im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin liegt, geht der Heirat eine Naturalisierung (Einbürgerung) voraus, die in der Proklamation von St. Jakobi vermerkt wird.
Johann Christian Vick wird am 7. November 1822 als Sohn des Schneiders Joachim Friedrich Vick und dessen Frau Henrica Sophia Schleiermacher geboren, getauft wird er am 13. November 1822 in St. Marien, Rostock.
Aus der Ehe seiner Eltern waren elf Kinder hervorgegangen. Obwohl sein Vater schon in jungen Jahren erkannt hatte, dass Wasserkuren ihm bei seinen vielen Leiden guttaten, widmete J. F. Vick sein Leben erst etwa ab Mitte der 1833 mit der Gründung einer Badeanstalt an der Warnow mehr und mehr der Wasserheilkunde. 1840 lag er zuhause dem Tode nahe darnieder, wandte mit Hilfe seines Sohnes Friedrich eine Wasserkur nach Priessnitzscher Art an, schrieb diesen nach seiner Genesung an und wurde in Gräfenberg sein erster Schüler, um sich beim Meister selbst zu vervollkommen. Nach seiner Rückkehr errichtete er an derselben Stelle an der Warnow in Rostock, eine der besten Wasserheilanstalten der damaligen Zeit. Priessnitz behandelte auch den jüngeren Sohn Johann Vick und informierte diesen über Wasserkurverfahren. Joachim Friedrich Vick bestimmte jedoch kurz vor seinem Tod im Jahr 1849 seinen Sohn Friedrich zu seinem Nachfolger[1].
An Johann Christian Viek, dessen Ausbildung laut seiner Aussage zunächst vom eigenen Vater begonnen und später von Vincenz Prießnitz in Gräfenberg (Sudetenland) vollendet wurde, verschwindet im Laufe der Jahre in Rostock scheinbar jede Erinnerung. Für ihn scheint in der väterlichen Wasserheilanstalt kein Platz zu sein. Seine Behauptung, überhaupt der einzige Schüler Priessnitz‘ gewesen zu sein, ist falsch.
In Stettin wird er den Familienname von Vick in Viek ändern.
Wann der Eckerberger Wasserarzt Johann Christian Vick (Viek) stirbt, ist nicht bekannt.
Caroline Amalie Viek, geborene Rosenthal
Caroline Amalie Rosenthal wird am 16. Juli 1829 in Stettin, Mittwochstraße Haus 1077 geboren und in der Kirchengemeinde St. Nikolai-Johanniskirche Stettin getauft. Ihre Eltern sind der Bürger und Kaufmann Friedrich Ferdinand Rosenthal und Juliane Anna Elisabeth Korth. Rosenthal war 1821 aus „Neudamm“ in die Stadt gekommen und hatte ein „Waaren und Heringsgeschäft en gros“ auf der Lastadie.
Aus Carolines Ehe mit Johann Christian Viek gehen zehn Kindern hervor, von denen mindestens vier früh versterben.
* 21. März 1853 Juliane Luise Martha, heiratet den Kaufmann Hermann Walther
* 7. Juni 1854 Johann Vincenz Friedrich, stirbt 1860
* 28. August 1855 Friedrich August Richard, stirbt 1858
* 21. November 1857 Heinrich Gotthilf Ernst, stirbt am 1. Dezember 1857
* 20. März 1859 Marie Caroline Juliane Margarethe, Verbleib nicht bekannt
* 14. Dezember 1861 Anna Sophie Gertrud, Verbleib nicht bekannt
* 14. Juli 1862 Henriette Katharina, stirbt ledig am 24.3.1920 in Berlin-Schöneberg
* 10. Dezember 1864 Julius August Rudolf Hans, Dr. med., zieht nach Wiesbaden
* 18. Dezember 1865 Waldemar Gottlieb Erdmann, stirbt 1866
* 8. März 1868 Elsa Elisabeth Hedwig, heiratet Alfred Heinze und zieht nach Berlin-Schöneberg
Im Dezember 1909 beantragt Vieks Witwe Caroline gemeinsam mit ihren Kindern Martha, Margarethe, Katharina, Elsa und Hans das Aufgebot zu einem Hypothekenbrief das Grundstück auf dem Eckerberg betreffend.
Im Adressbuch des Jahres 1910 ist sie noch als Eigentümerin in Eckerberg, Wasserheilanstalt eingetragen, zieht aber bald darauf nach Berlin-Schöneberg zu ihrer jüngsten Tochter Elsa Heinze, Innsbrucker Str. 16. Eigentümer des Kurhauses Eckerberg wird die Stadt Stettin.
Caroline stirbt hochbetagt im Alter von 90 Jahren am 9. März 1920 in der Wohnung ihrer Tochter, die auch den Tod anzeigt. Wenige Tage später stirbt in derselben Wohnung auch ihre unverheiratete Schwester Katharina.
Nachforschungen zur Beisetzung von Caroline Amalie blieben bisher ohne Erfolg.
Die Randbemerkung des am 1. Dezember 1857 verstorbenen Sohn Heinrich Gotthilf Ernst enthält jedoch einen wichtigen Hinweis:
„Mit Genehmigung der k. Regierung v. 2. Dec. 1858 auf einem besonders dafür eingerichte[te]n Begräbnisplatze im Wald neben der Wohnung der Eltern beerdigt.“
Es ist unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich -, dass Caroline Amalie Viek in Eckerberg beigesetzt worden ist.
Ich bin durch diese Bemerkung vollkommen sicher, dass der Findling, der im Dezember 2020 nahe des Eckerberger Kurhauses gefunden worden ist, tatsächlich für Caroline Amalie – Lina Viek – an der Stelle aufgestellt worden ist, wo sie viele Jahre zuvor der Begräbnisplatz der Familie Viek befunden haben wird.
Caroline Amalie Rosenthal wurde wahrscheinlich in Johanneskirche getauft, zu dem ihre Kirchengemeinde nach der Zerstörung der Nikolaikirche im 1811 gehörte. Der Pfarrer der neu gegründeten Pfarrei verwendete das Siegel der ehemaligen St.-Kirche Nikolaus.