Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erwachte in Deutschland und somit auch in der Provinz Pommern eine neue Begeisterung für den Motorsport. Die Menschen sehnten sich nach Zerstreuung und sportlichem Wettkampf und das Motorrad entwickelte sich schnell zu einem beliebten Sportgerät. Da es zu dieser Zeit noch kaum spezielle Rennstrecken gab, wurden die Wettkämpfe oft auf Landstraßen ausgetragen.

Zwischen 1923 und 1931 waren Swinemünde, Misdroy und Kolberg Schauplatz berühmter Bäderrennen mit Motorrädern.
Sie wurden veranstaltet in:
– Swinemünde von 1923 bis 1925 (19,6 km Rundkurs)
– Kolberg von 1926 bis 1929 (27,63 km Rundkurs 1926, 27,67 km 1928 und 25,75 km 1929)
– Misdroy 1931 ( 19,667 km Ostseering-Rundkurs)

Zeichnung von Albert Jansen in „Der Mittag“ 4.7.1927

 

1926 gab es vermutlich auch ein Bäderrennen in Stolpmünde(?)   und ab 1949 wurde die Tradition in Stralsund  und auf Usedom weitergeführt.

Werbung der Firma BMW im Simplicissimus Juli 1926

Von den heute noch existenten Marken hat sich vor allem BMW sehr engagiert.

Die damals benutzen Rennstrecken kann man im Motorrennsportarchiv gut nachvollziehen: Ostseering Misdroy ,   Swinemünde  und Kolberg, hier sogar mit eine kleinen historischen Karte

In der Schlesischen Zeitung vom Juli 1926   gibt es ein Foto, wie man über die Landstraßen um Kolberg rast. Es zeigt den späteren Sieger dieses Rennens, Toni Bauhofer auf BMW. Auf diesen Straßen im Schnitt 99 km/h zu fahren, grenzt an Waghalsigkeit. Bei späteren Rennen wurden noch höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten erzielt.

Auf den Seiten über den ehemaligen Rennfahrer Arthur Geiss  findet sich der Bericht über das Kolberger Bäderrennen aus dem Jahr 1928 in der Allgemeinen Automobilzeitung (AAZ) mit Überlegungen darüber, ob man jetzt den Fokus mehr auf das Material oder die Fahrer legen sollte.

Plakette zum Kolberger Bäderrennen 1928, Rainbowworldberlin, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Das Kolberger Bäderrennen galt als das schwerste Motorradrennen in Deutschland. Der kurvenreiche knapp 28 km lange Kurs mit eine Höhendifferenz von ca. 35 m führte über verschiedene Straßenbeläge:  zu 15 % über Großkopfpflaster, 35 % über Kleinpflaster und der Rest bestand aus chaussierter Landstraße.  12 Runden mussten zurückgelegt werden und der Pflasterbelag war vor allem bei Nässe tückisch. Die Route führte durch Sellnow, Karlsberg, Kautzenberg, Semmerow, Pustar, Damgard, Zernin und streifte ein Stückchen Kolberg. In den Dörfern war der Kurs durch Seile abgesperrt und Sanitätsgruppen hielten sich für alle Fälle bereit. Den schnellsten Rundendurchschnitt von 105,5 km/h erreichte Ernst Henne 1928 auf einer 750 ccm BMW.

Es gab verschiedene Plaketten und Preise , auch die Siegerliste kann  man einsehen. „Der Mittag“ vom 4.7.1927 schreibt: Die Ausschreibung sieht für jeden siegreichen Bewerber (d.h. den Besitzer der Maschine) die große Kolberger Medaille vor, der zweite erhält die kleine goldene und der dritte die silberne Kolberger Medaille. In jeder Kategorie erhält der Fahrer, der als erster seiner Kategorie das Rennen beendet, den großen, der zweite und der dritte den kleinen Kolberger Bäderbecher.

1930 wurde das Rennen durch das preußische Innenministerium verboten. Es war ein Verbot für durch Städte und Dörfer führende Motorradrennen erlassen worden. Der „Große Bäderpreis von Deutschland“ wurde in diesem Jahr auf der AVUS in Berlin ausgetragen.

1931 gelang es dem veranstaltenden Deutschen Motorradfahrer-Verband eine 19,4 km lange Rennstrecke bei Misdroy zu finden, die durch stark hügeliges Gelände führte und zahlreiche Kurven auswies.  Sie führte von Misdroy nach Neuendorf, Warnow und wieder zurück nach Misdroy. Im August fand das erste Rennen auf dem „Ostseering“ statt.

Das Misdroyer Rennen 1932 wurde „wegen der ungünstigen wirtschaftlichen Lage“ abgesagt.  Für den August 1933 war wieder ein Rennen geplant, ob es wohl stattgefunden hat?

 

Ab 1933 wurden in Kolberg auch Grasbahnrennen veranstaltet. Diese ähnelten den heutigen Speedwayrennen.  Im Stolper Wochenblatt August 1938 findet sich ein ausführlicher Bericht. 30 000 Zuschauer beobachteten wie ein Teilnehmer einen Durchschnitt von 115,7 km/h erreichte. Austragungsort war die alte Pferderennbahn auf dem Münderfeld.

Detail aus Stadtplan Kolberg 1916, entnommen von https://kolberg-koerlin.de/wp-content/uploads/2019/11/Kolberg_Detailkarte.jpg

 

 

Der Motorrad-Rennsport in Pommern nach dem Ersten Weltkrieg war mehr als nur ein sportlicher Wettkampf. Er war ein Spiegelbild der Aufbruchsstimmung der 1920er Jahre, eine Verbindung von Sport, Tourismus und Freizeitvergnügen.

 

Vielen Dank an Martina Riesener für zahlreiche Angaben aus der Kolberger Stranddistel und der Facebookgruppe Kolberger Lande.

Weitere Quelle https://zeitpunkt.nrw/

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert