Die Künstlerkolonie Ahrenshoop, idyllisch an der Ostsee auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst gelegen, zählt zu den berühmtesten Künstlerorten Norddeutschlands. Hier fanden seit dem späten 19. Jahrhundert Generationen von Malern, Bildhauern und Literaten Inspiration im Licht, in den urwüchsigen Dünen- und Boddenlandschaften und im Wechselspiel von Meer und Himmel.

Entstehung und Pionierzeit (Ende 19. Jahrhundert)

Die Geschichte der Kolonie beginnt um 1889, als die Maler Paul Müller-Kaempff und Oskar Frenzel bei einer Reise das abgelegene Fischerdorf Ahrenshoop entdecken. Von der „Friedlichkeit und Einsamkeit“ begeistert, lässt Müller-Kaempff sich 1892 dauerhaft nieder – er wird zum Begründer der Kolonie.

In der Folge zieht es zahlreiche Künstler an diesen Ort: Neben Müller-Kaempff prägten Persönlichkeiten wie Fritz Grebe, Eva Stort, Elisabeth von Eicken, Anna Gerresheim, Hugo Richter-Lefensdorf, Carl Malchin, Martin Körte und Friedrich Wachenhusen die Frühzeit der Kolonie. Auch berühmte Namen der deutschen Moderne wie Erich Heckel, Alexej Jawlensky,   Marianne von Werefkin  und Lyonel Feininger besuchten später den Ort.

Elisabeth von Eicken, Fischer auf dem Bodden bei Ahrenhoop, Bild: Galeriederpanther, CC BY-SA 4.0  via Wikimedia Commons

Die einzigartige Lichtstimmung, das weite Meer, Boddenlandschaft und das einfache Landleben waren zentrale Themen der Malerei und prägten deren Stil.
Paul Müller-Kaempff baute 1894 die erste Malschule, das heutige Künstlerhaus Lukas, später Zentrum für Stipendiaten und Gastkünstler.

Künstlerhaus Lukas
Bild: Jan-Herm Janßen, Künstlerhaus Lukas, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons
Kunstkaten in Ahrenshoop Bild: Nikater CC BY-SA 3.0 

 

 

 

 

 

 

Blütezeit und Institutionalisierung (Anfang 20. Jahrhundert)

1909 wurde der berühmte Kunstkaten als erste Galerie und Ausstellungshaus für Künstler errichtet, was den Ort als Kunstzentrum weiter etablierte. Zur Jahrhundertwende wirkten etwa 16 fest ansässige und zahlreiche weitere saisonale Maler in Ahrenshoop und Nachbardörfern. Die Kolonie war jedoch nie stilistisch einheitlich, sondern von Vielfalt und Individualität geprägt. Etliche Künstler sind auf dem Friedhof an der Schifferkirche bestattet.

Paul Müller-Kaempff, Der alte Schifferfriedhof in den Dünen, 1893, Öl auf Leinwand

Krisen, Wandel und Erneuerung (20. Jahrhundert)

Der Erste Weltkrieg führte zum Bruch: Der Krieg führte dazu, dass viele Künstler den Ort verließen; sie wurden eingezogen oder gingen ins Exil. Die starke, gemeinschaftliche Kolonienstruktur zerbrach – die regelmäßigen, intensiven Begegnungen und das Miteinander der Künstlerfamilien, die das besondere Flair der Kolonie geprägt hatten, endeten. Die Ausstellungstätigkeit – etwa im Kunstkaten – wurde 1918 eingestellt.  Als Ergebnis des Kriegs und der Veränderungen wurde die ursprüngliche Idee der festen, gemeinschaftlichen Künstlerkolonie in Ahrenshoop gegenstandslos. Dennoch blieb der Ort für einzelne Künstler und als Sommerresidenz weiterhin attraktiv, jedoch nie wieder in der kollektiven Form wie vor 1914. Erst 1946 lebte der Kunstbetrieb wieder auf.

Während der Zeit des Nationalsozialismus war Ahrenshoop ein besonderer Rückzugsort für Künstler, die unter dem Regime als „entartet“ galten oder sich der offiziellen Kunstpolitik nicht unterordnen wollten. Da das abgelegene Ostseedorf eine gewisse Abgeschiedenheit bot, fanden hier zahlreiche Künstler, wie etwa Werner Gilles, Ernst Wilhelm Nay, Gerhard Marcks, Hans Brass und Alfred Partikel einen zeitweisen Schutzraum.

In der DDR-Zeit wurde der Ort gezielt als „Bad der Kulturschaffenden“ aufgebaut und war Treffpunkt für Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle wie Bertolt Brecht, Christa Wolf und andere. Trotz politischer Instrumentalisierungen blieb Freiraum: Neben offizieller DDR-Kunst konnten auch oppositionelle oder unabhängige Künstler arbeiten.

 

Die Steilküste von Ahrenshoop 1911
Marianne von Werefkin, Steilküste bei Ahrenshoop, 1911, Public domain, via Wikimedia Commons
Alexej von Jawlensky, Kirche in Prerow (1911), Museo Castello San Materno – Fondazione per la cultura Kurt e Barbara Alten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Modernes Ahrenshoop

Ab 1990 entwickelte sich Ahrenshoop zu einem offenen Zentrum der Kunst: Heute gibt es im Ort bei etwa 670 Einwohner drei große Kunsthäuser (Kunstkaten, Künstlerhaus Lukas, Neues Kunsthaus) und zahlreiche Galerien.

Kunstmuseum Ahrenshoop, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Seit 2013 zeigt das Kunstmuseum Ahrenshoop eine große Sammlung von Werken aus allen Phasen der Künstlerkolonie, von der Gründungszeit bis in die Gegenwart. Ein Kunstpfad informiert über historische Malorte und Künstler.

Die Tradition des Austauschs, der Offenheit und Vielfalt wird bis heute gepflegt; zahlreiche Ausstellungen, Stipendien und Veranstaltungen machen Ahrenshoop zu einem lebendigen Ort für Künstler und Kunstfreunde.