Aus dem Heimatkalender für Ostpommern auf das Jahr 1931

Auf fast allen Gütern unserer ostpommerschen Heimat sind die oft Jahrhunderte alten Sitten und Gebräuche noch lebendig. Ein treues, eng mit der Heimatscholle verbundenes Arbeitergeschlecht pflanzte sie fort, und seine Arbeitgeber ließen es mit Genugtuung gewähren in der sicheren Erkenntnis, daß alles, was die Heimat einst hervorgebracht hat, echt und wahr und heilig ist und zum Bestande gehört, wie alles tote und lebende Inventar. Sie halfen stets freudig mit, die Beachtung alter Sitten zu vertiefen und aus manchem an sich bescheidenen Dingen wirkliche Volksfeste zu gestalten, wenn auch die Verhältnisse in andauernd immer wiederkehrender Notzeiten manchmal am liebsten andere Wege hätten weisen mögen.

Hier soll von den alten Gebräuchen erzählt werden, die sich um den Kranz um die Erntezeit legen, indem sie die Ernte eröffnen, begleiten und schließen. In Grumbkow bestehen zurzeit noch drei solcher Gebräuche, die alle Jahre mit großer Freudigkeit neu auferstehen: Das Binden, das Bringen des Alten und das Erntefest.

Auf Ernte Urlaub. Quelle: Stettiner Stadt- und Landbote (5. Jahrgang, 1897) 

Zu Beginn der Ernte geht das Binden vor sich. Wenn der erste Roggen gefallen ist und es betritt einer, der nicht unmittelbar die Hand andie schwerer Arbeit legt, zum erstenmale das Erntefeld, so wird er „gebunden“ Die Vorschnitterin in sauberem Gewand nimmt ein seidenes Band, an welchem drei Ähren geschmackvoll befestigt sind, bindet dieses in Form einer Schleife an den Arm des Erschienenen und „betet“ dazu folgenden Spruch:

„Ich sah‘ den . . . . . von Ferne kommen,
da hab‘ ich schnell dies Band genommen.
Ich bind‘ nicht zu los, ich bind‘ nicht zu fest,
ich binde auf das allerbest‘.

Erntefest in Hohenselchow Krs. Randow (Vorpommern).
UBz: Junge Mädel tragen die Erntekrone aus dem Gemeindebüro.
Bundesarchiv, Bild 183-1988-0615-503 / Diedrich / CC-BY-SA 3.0,

Ich binde nicht um Bier und Branntewein,
sondern um des . . . . . . Ehre allein.“

Es mag nicht falsch sein, den Ursprung dieser schönen Sitte auf die alten Maurerinnungen zurückzuführen. Während eines Hausbaues wurde in früherer Zeit ein bestimmter Umkreis abgesteckt, und wenn jemand in diese Allerheiligste eindrang, der nichts mit der Bauarbeit zu tun hatte, mußte er sich loskaufen, wenn er nicht gezwungen werden wollte, an der Arbeit teilzunehmen.

Am Abend des letzten Erntetages, der die letzten Roggenhalme sinken sah, versammeln sich alle, die bei der Ernte geholfen haben, auf dem Gutshofe und ziehen mit Sensen und Harken vor das Herrenhaus, um den Alten zu bringen. Der Vorschnitter überreicht alsdann seinem Arbeitgeber ein als Stroh gekleidete Puppe, berichtet ein Versform, daß der letzte Roggenhalm gefallen sei und erbittet den Segen Gottes für die weitere Ernteeinfahrt und die sichere Bergung des Getreides.

In dem sehr munteren Zuge befindet sich noch einer von den Mähern, der mit Stroh umwickelt ist als Verkörperung der überreichten Puppe. Dieser muß mit der Vorschneiderin nach den Klängen einer Ziehharmonika einen Walzer tanzen. Nach dem Liede „Nun danket alle Gott“ bewegt sich der Zug zum Dorfe zurück, wo die Arbeiterschaft bei Bier und Tanz (Altenbier) vereint bis Mitternacht und länger vergnügt zusammenbleibt.

Bald nachdem das letzte Getreide in den Scheuern sicher geborgen ist, findet das große Erntefest zumeist an einem Sonnabend statt. Alt und jung, ja das ganze Dorf ist auf den Beinen und beendet in fieberhafter Aufregung noch die letzten Vorbereitungen. Am Nachmittag zieht dann ein schmucker Erntezug mit Musik vor das Herrschaftshaus. Die Vorschneiderin überreicht dem Gutsherrn ein aus allen Getreidesorten kunstvoll zusammengereiftes, mit bunten Bändern und Blumen gezierte Erntekrone und spricht dazu ein längeres Gedicht, indem sie zum Ausdruck bringt, daß die Ernte nun geborgen ist, Gott dann den Dank übermittelt für seine gnädige Hilfe und für jeden — bald in ernsten, bald in heiteren Worten — einen guten Wunsch bereitet hat. Nachdem auch der Gattin des Besitzers von einer anderen Schnitterin eine etwas kleinere Krone überreicht worden ist, spricht der Arbeitgeber zu seiner treuen Arbeiterschaft und hält nicht mit seinem Dank zurück für alle mühevolle Arbeit um den Gewinn der Ernte, bei oft heißen Tagen in Sommerglut und Schweiß. Dann wird bei schönem Wetter im nahen Walde bis zur Dunkelheit getanzt. Jugendbelustigungen aller Art mischen sich in die heitere Stimmung, und eine Preisverteilung den ersten Teil des Festes abschließt. Der Zug bewegt sich nun ins Dorf zurück, wo der Tanz in der sogenannten Schnitterkaserne fortgeführt wird. Der Arbeitgeber hat reichlich Bier und Zigarren zur Verfügung gestellt, und nicht selten findet die fröhliche Erntefeststimmung erst beim Morgengrauen ihren Abschluß.

Weitere Sprüche aus Grumbkow rund um die Ernte, zum Binden,  zum Alten etc. finde sich im pommerschen Volkskundearchiv, digitalisiert bei der Digitalen Bibliothek Mecklenburg Vorpommern.

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