RBB24 berichtet unter der Überschrift „Barbarei unter dem Aktendeckel“- dieser Titel trifft es sehr gut.
40 000 Akten der NS-Finanzverwaltung wurden vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv digitalisiert und online gestellt. Sie enthalten Informationen zu zehntausenden Menschen, die vom nationalsozialistischen Deutschland als jüdisch oder „reichsfeindlich“ verfolgt und ausgeplündert wurden. Akribisch haben die Nazibeamten Formulare ausfüllen lassen oder selbst ausgefüllt, die die Vermögenswerte vor der „Auswanderung“ feststellen sollten. Auch Menschen, die in Pommern geboren waren, finden sich.
Zum Beispiel die Akte von Heinrich Jacobsohn, jüdischer Religion, der am 30.11.1881 in Freienwalde Kreis Saatzig geboren wurde und seiner Frau Cerline geb. Levy, die aus Schönlanke stammt
https://blha-digi.brandenburg.de/rest/dfg/LwNxQJFostFKUCQR
Die Akten beginnen mit einer Kassenbuchseite, wo notiert wurde, welchen Erlös die Besitztümer der Personen erbracht haben und welche Ausgaben evtl. entstanden sind. Der Hausrat Jacobsohn war 405 Reichsmark wert. Heinrich arbeitete als Arbeiter in einer Maschinenfabrik in Reinickendorf mit einem Wochenlohn von 35 RM. Das Ehepaar wohnt zur Untermiete in einem Leerzimmer, die Miete betrug 40 RM pro Monat. Akribisch wird auch erfasst, welche Religion selbst der Vermieter hat. Die Tochter Margot ist am 5.5. 1923 geboren, lebt nicht in der Wohnung und ist vermutlich Krankenschwester.
Es folgen seitenlang Fragen zu Vermögenswerten, Möbeln, Kleidung und anderen Besitztümern, die evtl. einen Wert darstellen könnten.
Datum und Unterschrift sind vom 13.3.1943. Vier Tage später wurden die beiden abtransportiert.
Eine Verfügung vom 1.2.1943 bestimmt, dass das ganze Vermögen „zugunsten des Deutschen Reiches“ eingezogen wird.
Am 15.3. werden die Unterlagen angeblich übergeben.
Es folgt die gleiche Aufstellung für die Ehefrau, die für 22 RM als Arbeiterin beschäftigt ist. Ihre Vermögensaufstellung datiert auf den 28.2.1943, die Verfügung über die Einziehung des Vermögens ebenfalls auf den 1.2.1943
Das nächste Formular ist die Rechnung des Obergerichtsvollziehers, der die Wohnung am 18.5.1943 geschätzt hat. Die Gebühr hat 2,5 RM betragen. Die Inventarliste kommt dann auf einen Wert von 466 RM, der auf 405 RM bereinigt wird.
1962 wird die Akte vom Entschädigungsamt Berlin angefordert.
Im Gedenkbuch des Bundesarchivs findet sich die Familie wieder:
Alle wurden ermordet.
Berichte über den Transport vom 17.3.1943 von Berlin nach Theresienstadt(engl.)
Bericht über den Transport von Theresienstadt nach Auschwitz am 12.10.1944 (engl)
„Diese von den Behörden erzwungenen Unterlagen sind oft die letzten Zeugnisse, die über verfolgte Menschen und ihre Schicksale erhalten geblieben sind“, berichtet Archivdirektor Mario Glauert. (https://blha.brandenburg.de/index.php/2024/02/13/dokumente-der-entrechtung/)
Auch der Rote Adler hat berichtet: https://www.bggroteradler.de/akteninhalte-aus-der-ns-zeit-im-blha-online/
Seinem Bericht habe ich den Direktlink http://blha-recherche.brandenburg.de/archivplansuche.aspx?ID=2193806 zu den Personenakten entnommen.
Mich haben diese Akten sehr erschüttert. Bitte schauen Sie sich die Bürokratie des Grauens an!
Über Facebook wurden zu diesem Thema noch mehrere interessante Links geschickt:
MDR-ZEITREISE-SCHWERPUNKT: DIE VERSTEIGERER – PROFITEURE DES HOLOCAUST
Wie sich der NS-Staat jüdisches Eigentum einverleibte
https://www.mdr.de/geschichte/ns-zeit/holocaust/die-versteigerer-juedisches-eigentum-juden-im-dritten-reich-100~amp.html
VERSTEIGERT, VERKAUFT, VERWERTET
Die Liquidation jüdischen Eigentums
https://www.dhm.de/blog/2020/04/21/versteigert-verkauft-verwertet/
Versteigerung jüdischen Besitzes: Das Beispiel der Ida Jauffron-Frank
https://www.schule-bw.de/faecher-und-schularten/gesellschaftswissenschaftliche-und-philosophische-faecher/geschichte/unterrichtsmaterialien/sekundarstufe-I/weimarns/arisierung/versteigerung.html/reader_view
Versteigerungsprotokolle 1935–42, Berlin
http://rosevallandinstitut.org/protokolle.html
s.a. http://www.content.landesarchiv-berlin.de/php-bestand/anzeige.php?edit=19944&anzeige=A%20Rep.%20243-04
http://www.content.landesarchiv-berlin.de/php-bestand/arep243-04-pdf/arep243-04.pdf
Die LostLift Datenbank
https://lostlift.dsm.museum/
beschlagnamtes Umzugsgut in Bremen und Hamburg