In Pommern hatte der Martini-Tag (11. November) traditionell große Bedeutung als Stichtag für Verträge, Zahlungen und andere wirtschaftliche Fristen. Der Martinstag markierte das Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres, an dem Pachtzahlungen fällig waren, ebenso wie Zins- und Lohnzahlungen. Dienstverhältnisse, Pacht- und Zinsfristen begannen oder endeten häufig an diesem Tag. Auch Steuern, oft in Naturalien wie Gänsen, wurden zu Martini entrichtet. Damit war Martini ein wichtiger Zahlungstermin, der bis heute in manchen Landpachtverträgen festgehalten wird, da er den Beginn und das Ende der natürlichen Bewirtschaftungsperiode symbolisierte.
Darüber hinaus verband man mit dem Martini-Tag das Ende der Arbeit im Freien, da ab diesem Termin der Winter begann. Das Brauchtum des Martinsbratens und der Wintervorbereitungen (z.B. Schlachten von Gänsen) ist eng damit verbunden. In Pommern, wie im übrigen Nord- und Mitteleuropa, war Martini also nicht nur ein religiöser Feiertag, sondern auch ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Stichtag für Abrechnungen und Vertragsbeendigungen.
Passend zum Tag habe ich im Waldeckischen Intelligenz-Blatt von 1777 gefunden, wie man Gänse auf pommersche Art räuchert und in heutiges Deutsch übersetzt.

So räuchert man Gänse auf pommersche Art.
Gut geräucherte, feste und schön gelbliche Gänse sind sehr begehrt. Besonders viele davon werden in Pommern, etwa im Amt Rügenwalde, nach einer speziellen Methode hergestellt und von dort aus verkauft. Wir möchten hier die echte pommersche Art und Weise beschreiben.
Unter den jungen Gänsen sucht man vor allem die Ganter aus, also die männlichen Tiere. Diese erkennt man an ihrem langen, kräftigen Hals, den großen Köpfen, ihrer lauten, tiefen Stimme und dem langen, kräftigen Körper. Solche Gänse nehmen besser zu und entwickeln stärkeren Speck als die weiblichen. Sie werden in einem mit Stroh ausgelegten Stall eingesperrt und drei Wochen lang mit halb zerstoßenen Rüben und halb Getreideschrot gut gefüttert. Außerdem bekommen sie viel Wasser und Sand, sodass sie ordentlich an Gewicht zulegen.
Nach dieser Zeit, etwa zu Martini (11. November), werden die Gänse alle auf einmal geschlachtet. Dabei wird vorsichtig gearbeitet, damit die zarte Haut nicht beschädigt wird. Nachdem die Federn entfernt sind und die Gänse gründlich gewaschen wurden, verbrennt man über dem Herd ein kleines Strohfeuer, an dem die Gänse dann abgeflämmt werden, sodass die feinen Härchen verschwinden. Danach wäscht man sie nochmals mit warmem Wasser, besonders am Hals, den Flügeln und Beinen, die abgeschnitten werden.
Die Gänse werden dann kräftig mit Salz eingerieben und dicht in ein spezielles Fass geschichtet, das abgedeckt wird. Sie bleiben so höchstens zehn Tage liegen. Während dieser Zeit schmilzt das Salz, und die Gänse nehmen so viel Salz auf, wie nötig ist.
Nach dem Einlegen nimmt man die Gänse heraus, die noch voll Salz und Feuchtigkeit sind. Sie werden an den Knien mit Bindfäden und Ösen befestigt, damit sie an langen Holzspießen aufgehängt werden können. Die noch ganz nassen Gänse bestreut man dann rundum mit trockenem Weizenkleie und wälzt sie darin, sodass von Speck und Fleisch nichts mehr zu sehen ist.
Anschließend werden die Gänse auf ihre Holzspieße gesteckt, so dass sie sich nicht berühren, sondern jeweils ein Fingerbreit Abstand haben. Dann hängen sie höchstens acht Tage lang in einem Rauchraum, in dem keine offene Hitze herrscht, nur der Rauch. Nach diesen acht Tagen werden die Gänse herausgenommen und an einem Balken acht Tage lang zum Trocknen aufgehängt. Danach reinigt man sie mit einem Leinentuch von der Kleie.
So sehen die Gänse außen goldgelb aus, der Speck ist weiß wie Schnee, und das Fleisch im Inneren ist rot wie eine Rose. Sie bleiben das ganze Jahr saftig und geschmackvoll. Diese Art der Zubereitung ist auf dem Land sehr geschätzt, da man die Gänse dann roh mit Appetit genießen kann. Deshalb legt man um Martini immer einen großen Vorrat an Gänsen an, die dann in gut belüfteten Vorratskammern hängen, zusammen mit Speck, Schinken, Würsten und anderen Lebensmitteln, damit sie lange halten.

