Mein Ururgroßvater Paul Kunisch war Musikdirektor in Arnswalde/Neumark, später Pommern.
Er wurde am 29.12.1862 in Berlin als Sohn des Omnibus-Conducteurs Johann Florian Domenicus Kunisch (1833-1863) und seiner Frau Sophie Mathilde Emilie geb. Fehrmann ( 1831-1888), in Berlin, Marienstraße 16, geboren.
Sein Vater starb kurz nach seiner Geburt, am 09.04.1863 in Berlin an der Schwindsucht und die Mutter war nun sehr jung verwitwet, Paul Kunisch war Einzelkind. Die Familie Kunisch kam ursprünglich aus Oberschlesien und war katholisch, der Vater aber konvertierte mit der Heirat der Mutter im Jahre 1860.
Am 18.09.1864 heiratete die Mutter den Schuhmachermeister August Ambost, der nunmehr die Vaterrolle für Paul Kunisch übernahm. Paul musste ihn „Herr Vater“ nennen, beim Vornamen durfte er ihn nicht rufen.
Die Familie zog dann nach Oderberg, warum, konnte nicht festgestellt werden. Hier ging er zur Schule und zeigte wohl ein großes musikalisches Talent. Der Stiefvater ermöglichte ihm ein Studium in Berlin, wo er Paul Lincke kennen lernte und zeit seines Lebens mit ihm befreundet war. Paul Lincke war Komponist, u.a. des Liedes „Berliner Luft“. Ebenso gab es eine lebenslange Freundschaft mit dem Komponisten Carl Teike (Alte Kameraden).
Zurückgekehrt lernte er nun Helene Hübner(1865-1944) kennen, eine bildschöne junge Frau, die Vollwaise war. Die beiden heirateten am 03.02.1887 in Oderberg.
Paul Kunisch konnte dann eine Stelle bei der Stadt Arnswalde antreten, denn die suchten einen Kapellmeister für ihre „Stadtkapelle“. Also zogen sie nach Arnswalde und kauften sich das Haus in der Friedeberger Straße 31.
Das Paar bekam dort fünf Kinder, Martha (1888-1929), Maria (1892-1961), Lucia (1895-1963), meine Uroma Erna (1898-1967) und Martin (1901-1984).
Martha starb kinderlos vor ihren Eltern, das war ein schwerer Verlust für beide. Maria heiratete den Fleischermeister Karl Thielke, Lucia den Friseur Georg Wilke, meine Uroma Fritz Marx. Martin blieb kinderlos, heiratete später eine verwitwete Frau, die Kinder mit in die Ehe brachte.
Paul Kunisch hatte großen Erfolg mit seiner Stadtkapelle und er bildete nun junge Musikschüler aus, er wurde ein wohlhabender Mann im Ort.
Er galt allerdings auch in Arnswalde ein wenig als „Wichtigtuer“, der was auf sich einbildete.
Vermutlich, weil er in jungen Jahren ein Schüler von Johannes Brahms und Richard Wagner war und auch auch eigene Stücke komponierte, u.a. den Marsch „Gruß an Arnswalde“. Sein Arbeitszimmer war voll mit Noten, die Ende des 2. Weltkrieges 1945 alle verbrannten, heute ist leider kein Werk von ihm erhalten geblieben.
Am Sonntag nachmittag ging er mit seiner Kapelle auf den Arnswalder Judenberg und musizierte zur Freude der Gäste. Immer wenn Markttag war in Arnswalde ging er mit seiner Kapelle auf den Kirchturm der Arnswalder Marienkirche und sie spielten Stücke, die man in der ganzen Stadt hören konnte.
In der Silvesternacht ging er alleine auf den Kirchturm und spielte Trompete, um das neue Jahr einzuläuten. Jedes Jahr durften die Enkelkinder ihn dabei begleiten.
Als Großvater war er ebenfalls sehr streng, seine Enkel, u.a. mein Opa, durften die Straße kehren und bekamen dafür eine Reichsmark, das war für Kinder in den 1930er Jahren sehr viel Geld. Mein Großvater erzählte sehr viel über seine Großeltern Kunisch. Sie hatten z.B. eine „gute Stube“, die nur für besondere Anlässe wie Weihnachten, Ostern, Jubiläen etc. betreten werden durfte. Dort standen große dicke Bücher, Gemälde der Familie, Silber und Goldgeschirr.
Alles ging im Krieg verloren.
Paul Kunisch besaß natürlich ein Klavier, auf dem er jeden Tag spielte und er besaß eine Kutsche, die er aber nicht oft benutzte.
Als die erste Stromleitung nach Arnswalde kam, lehnte er diese „neue Mode“ ab.Im Garten stand ein Plumsklo, fließendes Wasser gab es erst später.
Mehrere Male kamen Berliner Musikfachleute nach Arnswalde, um die Stücke von Paul Kunisch zu kaufen, denn sie schätzten sein Talent, er lehnte dies aber leider ab. Im Laufe der Jahre investierte Paul Kunisch in Immobilien, aber als 1923 die Inflation drohte, verkaufte er die meisten Häuser. Das Geld wurde wertlos, aber er schaffte es, recht schnell wieder zu Geld zu gelangen.Dies brachte er dann auf Privatkonten in die Schweiz, noch 1998 haben wir versucht, diese Konten zu finden, aber leider vergeblich. 1937 wurde in Arnswalde das Fest der goldenen Hochzeit gefeiert.
Paul Kunisch starb am 01.09.1938 in Arnswalde an einem Herzinfarkt und wurde in Beisein der halben Stadt auf dem Friedhof beerdigt.