Im Bublitzer Brief Nr. 130 aus dem April 1963 berichtet Paul Krause über „Osterbräuche und Ostersitten in unserer Heimat“:
Stiep‘, stiep‘ Eier, für sechs Dreier —
gibst du mir kein Osterei,
stiep‘ ich dir das Herz entzwei.
„Weihnachten im Schnee — Ostern im Klee / Weihnachten im Klee — Ostern im Schnee“, besagt eine alte Bauernregel. Hoffen wir, daß uns nach diesem harten und langen Winter schöne, sonnige Osterfeiertage beschert sein mögen und daß diese alte Bauernregel eintrifft. Auch in unserer lieben Heimat hatten wir manchmal weiße Ostern über Nacht bekommen, die jedoch beim Sonnenschein sehr schnell verschwanden. In Erinnerung geblieben sind die schönen Ostertage, und am schönsten war immer ein sonniger Ostermorgen. Gut, daß man in Erinnerung die schönen behält und schlechte Tage schnell vergißt. Gingen diese leuchtend nieder, leuchtet es lange noch zurück.
Wenn sich in diesen Ostertagen unsere Gedanken zurückwenden, dann verbinden sich damit auch die Erinnerungen an die schönen Osterbräuche und Sitten in unserer Heimat, die heute immer mehr verschwinden. In den Großstädten sieht man wohl die vollgepackten Schaufenster mit Süßigkeiten, aber die können bei dem Hasten und Jagen nur einen Abglanz der Osterstimmung bieten, die in unserer Erinnerung weiterlebt und besonders schön in unseren pommerschen Kleinstädten war, wo einer am anderen Anteil nahm.
Mit dem Sonntag Palmarum begann die Stille Woche, und es war Brauch, daß z. B. in dieser Woche keine Wäsche gewaschen und auf der Leine hängen durfte. Auch Drehorgel-Konzertmeister Kubs (s. „Carolus erzählt“) und auch der „Pollnower Trompeter von Säckingen“ mußten schweigen. Die Hausfrauen richteten sich mit der Backerei schon so ein, daß spätestens am Gründonnerstag der Kuchen fertig war, weil die Bäcker am Freitag und Sonnabend keine Zeit mehr hatten bzw. am Sonnabend nur mit ihren Lieferungen zu tun hatten. Hier darf ich gleich einmal eine kleine Episode einflechten, die ich immer an die Stille Woche in Erinnerung behalten habe. Meine Mutter war beim Kucheneinrühren, ich mußte helfen, Bleche und Kuchennäpfe saubermachen, Mandeln abpellen und reiben, die Zettel schreiben, die auf den Teig gedrückt wurden, wenn der Kuchen zum Bäcker kam. Es ging schon auf die zweite Morgenstunde, Mutter deklamierte die Oster« predigt, und es kam die Stelle, in welcher Christus zu Petrus sagt: „Wahrlich, ich sage dir, wenn der Hahn krähet, wirst du mich dreimal verleugnet haben.“ Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, krähte bei uns im Hühnerstall der Hahn. Wir sahen uns verwundert an, was das bedeutete. Unser Hahn hatte seinen roten Kollegen wohl schon krähen gehört, denn im nächsten Augenblick erscholl das Feuerhorn, ganz unheimlich hörte sich das immer an in stiller Nacht. Es brannte damals in der Langenstraße bei Töpfer Janke. Ich habe dies Zusammentreffen mit dem „Wahrlich, ich sage dir“, dem Hahnenkrähen und Feuerhorn immer in meinen Ostererinnerungen behalten.
Am „Still-Freitag“ gab es auch keine Fleischgerichte, nur Setzeier mit dickem Reis mit Zucker und Zimt. Wer Beziehungen hatte, bei dem standen auch schöne gebratene Forellen aus der Gozel auf dem Tisch, erinnern wir uns auch an die bis auf den letzten Platz gefüllte Kirche am Karfreitag, an die wohltuende Predigt unseres lieben Superintendenten Springborn, an das schöne und einmalig nur an diesem Tage im Jahr gesungene „O Haupt voll Blut und Wunden“. Wie voll erklang das immer in unserer schönen und großen Kirche. An den Karfreitagen war der Kirchenbesuch immer stärker als am ersten Ostertag.
Dann der Ablauf des ersten Ostertages. Auf den nüchternen Magen ein Glas klares Osterwasser und dazu den Osterapfel. Mit dem Osterwasser wurde allerlei Allotria getrieben. Wer Osterwasser holen wollte, durfte schon von Mitternacht an nicht mehr sprechen, sonst war es „Schlotterwasser“, dem keine Heilkraft innewohnte. In Flaschen wurde Osterwasser noch wochenlang für Heilzwecke aufbewahrt. Es war ein kaum glaublicher Aberglaube; dann mußte es kurz vor Sonnenaufgang geholt werden, außerdem mußte es nach Osten fließen. In unserm Heimatstädtchen kamen dafür nur zwei „Bächlein“ in Frage: beim Bublitzer Ackerhof (Thonack) das von Kuhsteckersberg kommende Wasser und an der Promenade zum Burgwall, welches aus der Schlucht zwischen dem Schießstand und Burgwall bzw. schon vom Stadtwald und aus der Hölle kam. Wer erinnert sich nicht an das Gekreische der Mädchen in den Promenaden, wenn sich diese schon lange vor Sonnenaufgang zum Oster-wasserholen eingefunden hatten und die Burschen sie zum Sprechen reizen wollten. Am andern Tag gab es darüber genug Unterhaltungen und Frotzeleien.
Am Ostermorgen dann die hübsch herausgeputzten Kleinen in den Straßen, in der Hand die grünen Stiepruten und Osterblumen, um bei Onkel und Tante oder Großeltern den Stiepbesuch zu machen und die Ostereier in Empfang zu nehmen. Am Nachmittag dann die Ostereiersucherei draußen im Gelände — in den Wiesen, Burgwall, Gotzelquelle oder der Hohlen Grund. Jeder wird schöne Erinnerungen an diesen Tag haben. Auch wackere alte Herren und Damen beteiligten sich daran, Ich sehe immer noch den Hotelier Albert Kolterjahn, damaliger Besitzer vom „Schwarzen Adler“, im bloßen Kopf, die blanke Platte oben am Hinterkopf, Stiepruten in der Hand und ein kleines Körbchen, in welchem die eingestiepten Ostereier lagen und die Cognacflasche, von Haus zu Haus in der Bergstraße seine Freunde aufsuchen, frühmorgens, und wie beschwerlich er mit seiner Körperfülle die steile Hof-treppe zu Max Fabricius hinaufkletterte. Ich will damit auch sagen, wie die damaligen Alten diese 5cherze mitmachten. Dieser Brauch hatte sich durch Generationen erhalten. Es gehörte auch dazu, daß die zum Fest schön und weiß bezogenen Betten nach den Stiepereien genügend grüne Flecken hatten. Auch auf unseren Dörfern war es nicht anders, und die jungen Damen konnten auch dort ein Lied davon singen. Ich sicherte mich schon immer vorher ab und nahm beim Schlafengehen einen Degen mit ins Bett, und unterm Kopfkissen lag ein großkalibriger Revolver für Leuchtpatronen von 4—5 cm Durchmesser. Wenn ich die Plagegeister nicht los wurde, zog ich blank und fuchtelte mit der Schwertspitze umher, in der linken Hand den Revolver, das gab dann den nötigen Respekt. Wenn auch heute irgendwo diese Stieperei außergewöhnliche Formen, etwa mit grünen Stachelbeersträuchern, annimmt, kann ich meine Methode sehr empfehlen……