2024 ist nicht nur das Jubiläumsjahr eines großen vorpommerschen Malers, sondern auch für einen ganz anderen Künstler aus Hinterpommern das Jahr eines runden Geburts- und Sterbetags – der Schauspieler Paul Dahlke wäre in diesem Jahr 120 Jahre alt geworden, er starb vor 40 Jahren. Grund genug, der Anregung eines Mitglieds des Pommerschen Greif zu folgen und an den berühmten Schauspieler zu erinnern.
„In Streitz an der Ostsee bin ich geboren. Streitz ist ein Dorf, nein ein Ort, na, sagen wir ein Fleckchen. In Streitz gibt es ein Gutshaus, eine Schule, ein paar Häuser „rundherum“ und schließlich ein weinumranktes Lehrerhaus. Dieses Lehrerhaus war mein Vaterhaus.“, schrieb Paul Dahlke in seinen biographischen Notizen.
Paul Dahlke stammte aus einer Lehrerfamilie. Vater Ernst wurde in Grünewald/Kreis Neustettin geboren, er war Lehrer für Turnen und Gesang und setzte mit seiner Berufswahl die Familientradition fort. Der wahrscheinlich erste Lehrer in Grünewald, Johann Gottlieb Dahlke, zugleich Schneider, kam 1732 in den kleinen Ort ca. 50 km südöstlich von Köslin. Auch Paul Dahlkes Mutter Anna Schmidt kam aus Grünewald, auch sie war Tochter eines Lehrers. Bis 1945 würden Mitglieder der Familie Dahlke in Grünewald leben und die Kinder des Dorfes unterrichten.
Ernst Dahlke zog 1901 als Lehrer nach Groß Streitz im Kreis Köslin. Am 22.10.1902 wurde dort der erste Sohn Johannes geboren, 1904 folgte Paul Dahlke.
Musik spielte im Hause Dahlke eine zentrale Rolle. Vater Ernst komponierte in seiner Freizeit das ein oder andere Kinder- und Volkslied, er gab sowohl die Halbmonatsschrift für Schulmusikpflege und ab 1920 ein Liederbuch für Schulen „Das deutsche Lied“ heraus. Mutter Anna spielte Laute und sang dazu.
Das Schicksal eines Landlehrers war es, häufig versetzt zu werden. 1904 zog die Familie nach Köslin. Zwei schwere Jahre sollten folgen – der dritte Sohn Fritz starb 1905 nur einen Tag nach seiner Geburt, der älteste Sohn Johannes starb anderthalb Jahre später im Alter von vier Jahren an Diphtherie.
1908 zog die Familie weiter nach Stargard, wo Paul Dahlke eingeschult wurde. „Der Zufall wollte es, dass ich in der unteren Dorfschulklasse auch Unterricht bei meinem Vater erhielt, was ich keineswegs als Annehmlichkeit empfand, denn er war streng und zog mir häufig den Hosenboden stramm.“, erinnerte sich Paul Dahlke an seine Schulzeit in Stargard. Doch die Zeit in Pommern fand ein Ende, als Paul Dahlke Sextaner war und der Vater nach Dortmund versetzt wurde. Hier kam der zehnjährige Paul erstmals mit dem Theater in Berührung. Und ab jetzt wuchs sein Wunsch, Schauspieler zu werden.
Inspiriert durch einen Ferienjob in einer Zeche studierte Paul Dahlke nach dem Abitur zunächst Bergbau in Clausthal-Zellerfeld, wo sein linkes Ohr 1922 Opfer einer Mensur in der Burschenschaft „Schlägel und Eisen“ wurde. Nach vier Semestern fand Paul Dahlke endlich den Mut, seinem Vater von seiner eigentlichen Leidenschaft zu berichten: er wollte Schauspieler werden. Begeistert waren die Eltern nicht, aber Paul Dahlke setzte sich durch. Er bestand die Aufnahmeprüfung am Max-Reinhardt-Seminar in Berlin. Ab jetzt war seine Karriere als Schauspieler nicht mehr aufzuhalten.
Mindestens 120 Filme, mindestens 140 Theaterrollen, diverse Fernsehserien, Hörspiele, von tiefgründig bis seicht, von Shakespeare über Gerhart Hauptmann bis hin zu Heintje-Klamotten und Krimiserien – Paul Dahlke war wandlungsfähig, authentisch und gehörte über Jahrzehnte zu den beliebtesten deutschen Schauspielern. Aber dies ist nicht das Kulturjournal, sondern der Pommersche Greif und meine Kompetenz, das künstlerische Wirken von Paul Dahlke zu beurteilen, hält sich in Grenzen. MS Franzsika war bis vor kurzem meine einzige bewusste Begegnung mit Paul Dahlke. Jetzt kam noch die grandiose Verfilmung des Fliegenden Klassenzimmers in der Version von 1954 dazu. Als Kind der 70er Jahre kannte ich bisher nur die Version mit Joachim Fuchsberger in der Rolle des Lehrers Justus. Äußerlich sehr viel formeller als bei Fuchsberger kommen Zuneigung und Wohlwollen für seine Schüler bei Paul Dahlke aber noch besser zur Geltung. Und die Auftritte von Erich Kästner machen den Film zu einem ganz besonderen Zeitdokument. Gerade aus der Mediathek verschwunden, dürften im Kästner-Jahr trotzdem gute Chancen bestehen, den Film nochmals zu genießen. Neben diesem Filmtipp konzentriere ich mich aber auf die pommersche Geschichte von Paul Dahlke und seine große Verbundenheit mit seiner Heimat.
Paul Dahlke erinnerte sich in seinen biographischen Notizen an die Sommerurlaube bei den Großeltern in Grünewald, wo er dem Großvater bei der Imkerei half, die erste große Liebe, die er im Haus seiner Tante Emma in Pommern kennenlernte und für ein Theaterengagement wieder aufgeben musste, das Kennenlernen mit seiner ersten Frau Doris Drewermann in einem Ostseebad „in meiner Heimat Pommern” und immer wieder Ferien in Groß Streitz. Zeitlebens bezeichnete er Pommern als seine Heimat und vermerkte in seinen biographischen Notizen genau, wenn er auf Menschen traf, die „Pommer wie ich“ waren. Der Spiegel meldete 1955, dass sich Paul Dahlke „innerhalb von sechs Stunden viermal für je 30 Pfennig durch ein auf der Travemünder Kurpromenade aufgestelltes Scherenfernrohr seine alte Heimat hinter der deutschen Zonengrenze“ angesehen hatte.
Paul Dahlke starb am 23. November 1984 in Salzburg. Ob er seine Heimat je wieder besuchen konnte, ist nicht überliefert. Er ist auf dem Friedhof in Grundlsee in der Steiermark, seinem letzten Wohnort, beerdigt.
Auf Schallplatten wie „Heimatland Pommern“ oder „Heimatklänge aus Pommern“ erinnerte Paul Dahlke an die Sprache und Kultur seiner Heimat. 1966 wurde ihm vom Sprecher der pommerschen Landsmannschaft der Pommersche Kulturpreis verliehen. “Es sei mir gestattet, Paul Dahlke im Namen aller Pommern persönlich zu danken für sein selbstverständliches Bekenntnis zum Lande Pommern, für seine Darstellungen in echtem unverfälschten pommerschen Platt und seinen Einsatz für das Land Pommern innerhalb seiner beruflichen Möglichkeiten.” zitiert der Köslin-Kurier, Sonderausgabe 2014 den Laudator Dr. Oskar Eggert.
Wenn Ihr Euch jetzt wundert, dass dieser Beitrag kein einziges Bild von Paul Dahlke selber enthält, dann hängt dies mit einer weiteren Berühmtheit zusammen, zu der Paul Dahlke in den 1950er Jahren gelangte – im immer noch reichlich zitierten „Paul Dahlke-Fall“ hatte der Bundesgerichtshof am 8. Mai 1956 über die so nicht vereinbarte Nutzung eines Photos von Paul Dahlke für Werbezwecke zu entscheiden. Jedenfalls – und natürlich unabhängig von diesem Urteil – war es nicht möglich, ein Bild von Paul Dahlke zu finden, das kostenfrei für diesen Artikel hätte genutzt werden können. So bleibt also abschließend nur dieses Bild seines Grabes. Aber ich denke, wir alle haben ein Bild des großen pommerschen Schauspielers im Kopf und sollte das allzu verblasst sein, finden sich in den Mediatheken oder auf YouTube genügend Beispiele seines Wirkens.
Der Vollständigkeit halber weise ich auf das 2013 erschienene Buch “Paul Dahlke – Die Biografie” von Rüdiger Petersen hin, der ich einige der hier erwähnten Ereignisse und Zitate entnommen habe. Der wohlwollende Leser würde das Buch als umfassende Darstellung des Gesamtwerks von Paul Dahlke unter Wiedergabe zeittypischer Rezensionen bezeichnen. Der kritische Leser könnte es bezüglich der detaillierten Auflistung der Werke ermüdend empfinden und als politisch erschreckend naiv bezeichnen. Ob die unreflektierte Wiedergabe Göbbelscher Rezensionen und eine unkommentierte Schilderung von Anekdoten aus der Nazi-Zeit auch im Sinne von Paul Dahlke gewesen wäre, kann ich nicht beurteilen.
Jedenfalls bin ich für die Anregung dankbar, Paul Dahlke im Blog zu würdigen. Mir hat das ein paar äußerst vergnügliche Fernsehstunden beschert. Neben seinem umfangreichen filmischen Schaffen beeindruckt mich vor allem sein Engagement für seine pommersche Heimat. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Paul Dahlke!