Theodor Fontane verbrachte seine Kindheit in Swinemünde :

Fontane beschreibt Swinemünde im Sommer 1827 als eine Stadt voller Gegensätze: ein „unschönes Nest“, das zugleich einen besonderen Reiz besaß. Während das Stadtzentrum wenig ansprechend war, offenbarte sich am Fluss, dem „Strom“, eine malerische Schönheit. Besonders das „Bollwerk“, eine Uferpromenade, war mit seinen „Klappen“ (hölzernen Waschflößen) ein lebendiger Ort maritimen Alltags. Der Erzähler erinnert sich liebevoll an den Geruch von Teer und Essen, der beim Kalfatern der Schiffe in der Luft lag. Er berichtet über die Vertiefung der Fahrrinne und teilt Klatsch und Tratsch über die Swinemünder  Honoratioren und die Frauenwelt.

Lesen: Sechstes Kapitel – Die Stadt; ihre Bewohner und ihre Honoratioren

 

In den Heimatblätter für den Kreis Usedom-Wollin, 14. und 15. Jahrgang 1928, Nr. 3, Oktober 1928 veröffentlichte

Robert Burkhardt

Swinemünder Badelisten aus 1836 und 1838

Alte Badelisten aus jener Zeit vor 90 Jahren sind sehr selten. Wir sind deshalb der Badeverwaltung außerordentlich dankbar, daß sie dem Heimatmuseum zwei solche Listen aus 1836 und 1838 zur Verfügung stellte. Sie stammen aus der Familie Raithel. Karl Gustav Raithel übernahm 1878 das Hotel Preußenhof von seinem Schwiegervater F. W. Wolff und verkaufte es 1889 an Hermann Radowitz. Die vorliegenden Listen sind also in der Familie Wolff aufbewahrt worden. Der Gastwirt Wolff hatte um 1837 das Hotel „König von Preußen“ (heute Postgebäude) übernommen; 1843 kaufte er von der Witwe des Kreischirurgen Hannemann das Gebäude des jetzigen Preußenhofes und errichtete einen Neubau, wie er jetzt noch zu sehen ist. Sein „König von Preußen“ ging in den Besitz des Bäckermeisters Bluhm über, der ihn 1877 an die Reichspostverwaltung zum Abbruch verkaufte.

Die Badelisten stammen also jedenfalls aus dem von Preußen; nach der Liste von 1836 hieß der Besitzer Winnemer, nach der von 1838 Wolff. Wir gehen wohl nicht fehlt, wenn wir annehmen, daß Wolff 1839 das erstemal als Hotelbesitzer tätig war und, der neuen Würde voll, die Badelisten sammelte; nachher scheint er es unterlassenen zu haben. Im Jahre 1836 wurden 18 Listen herausgegeben, die erste für die Zeit vom 20—29. Juni, die letzte für die Zeit vom 14.—20. September; im August erschienen die in Stettin gedruckten Listen alle 2 bis 3 Tage. Im ganzen werden 1342 Gäste notiert, darunter 638 eigentliche Badegäste (mit Kurkarten). Am 7. Juli werden 99 Gäste und 69 Fremde gemeldet, am 1. August 483 Gäste und 356 Fremde, am 1. September 634 Gäste und 636 Fremde.

Oberbollwerk mit Hotel 3 Kronen (vorne rechts) 1906, Bildquelle https://polska-org.pl/

Also im ganzen fast dasselbe Bild wie heute: Der Hauptandrang war von Mitte Juli bis Mitte August. Juni und September zählten kaum mit. Wo logierten nun die Fremden? Da war zuerst Winnemer“ (im „König von Preußen“), dann „Herr Masche“ (heute Drei Kronen), „Madame Hoppensack“ (heute Vollwerk 11) und „Herr Schäkel“ (heute Rostocker Bank). In diesen Hotels verkehrten die wirklichen wohlhabenden Gäste. An erster Stelle stand damals der „König von Preußen“ dann kamen die „Drei Kronen“. Außerdem war bei fast allen bessergestellten Bürgern Quartier zu finden, z. B. beim Bürgermeister Kirstein, der dazu besonders sein neues Haus Königsstraße 16 erbaut hatte, beim Hauptmann Kramer, beim Dr. Hannemann, beim Steuerat Krause, beim Landrat v. Flemming, beim Kaufmann Nitsche und beim Prediger Steinbrück. Das Badepublikum war „erster Klasse“. Damals war Swinemünde von Berlin noch weit entfernt. Man konnte sich damit brüsten, in Swinemünde gewesen zu sein, und es war für manche Familien Ehrensache, das Geld in preußischen Badeorten zu verzehren. Und endlich brauchte man dazu keinen Reisepaß wie nach Wiesbaden oder Karlsbad, was in der Zeit des Polizeistaates wohl zu beachten war.

Plan von Swinemünde 1828

Einige Namen der ersten Liste zeigen die auserlesene Gesellschaft:

Nr. 1. Kammergerichtsassessor Siber, aus Kalbe a. S.
Nr. 4. Professor Krüger u. Sohn, aus Berlin.
Nr. 5. Fr. Generalmajor v. Wakusky u. Sohn, aus Riga.
Nr. 6. Assessor v. Bodelschwing (der spätere Minister).
Nr. 8. Hofrat Döllen, aus Riga.
Nr. 11. Baron v. Schalding, Aachen.
Nr. 15. Gräfin v. Schwerin u. Familie, aus Busow.
Nr. 16. Gräfin zu Solms=Wildenfels, aus Potsdam.
Nr. 18. Baron v. Kleist, Mitau.
Nr. 22. Justiz=Commissar v. Höwel, Anklam.
Nr. 23 Major v. Schmalensee, Tangermünde.
Nr. 24. v. Bredow, Anklam.
Nr. 30. Kommandant Paludan und Familie, Christiansö.

Auch aus den letzten Listen seien noch einige Personen genannt:

  1. Staatsminister v. Mühler und Frau, Berlin.
  2. Dr. Karawaieff, Petersburg.
  3. General=L. von Sohr, Stargard.
  4. General=M. von Knobloch, Stargard.
  5. Landschaftsdirektor v. Schwerin, Putzar.
  6. Präs. v. Arnim, Prenzlau.
  7. Geh. O. R. v. Tschirschky, Berlin.
  8. Frau Musikdirektor Löwa[e] und Familie, aus Stettin.
Ansicht von Swinemünde 1828

Wir finden in den Listen fast den ganzen vorpommerschen Adel, die hohen Militär= und Justizbeamten der Provinz und auch recht zahlreich aus Berlin. Nur ab und zu, besonders im September erscheinen Pastoren, Lehrer, mittlere Beamte und Kaufleute. Da kommt der Handlungsdiener Schuster, stud. Ephraimson, der Zahnarzt Wolfssohn, die Kaufleute Asch, Silber und Levinstein — ohne daß jemand Anstoß genommen hätte, dieweil unsere Urgroßväter noch in der Zeit der Aufklärung lebten. Besonders aber fällt die Zahl der Gutsbesitzer auf, für die es anscheinend herkömmlich war, einige Wochen recht gemütlich in Swinemünde zu verbringen. Sie kamen meist mit Pferd und Wagen und einer Tasche voll Geld, das, wenn alles nichts half, in dem kleinen Spieltempelchen neben dem Gesellschaftshause sein Ende fand, wie Fontane aus jener Zeit so anschaulich zu erzählen weiß. In der Badeliste von 1838 ist ein deutlicher Aufstieg zu spüren: sie zählt auf 20 Listen 1772 Gäste, 430 mehr als zwei Jahre früher. Die Zahl der wirklichen Kurgäste hat sich von 634 auf 944, also fast um 50 Prozent erhöht.

Wir finden darunter fast dasselbe Publikum wie vorher; es seien besonders genannt:

Nr. 41. Baron Senfft von Pilsach, Ostpreußen.
Nr. 64. Oberst und Festungsinspektor Brese und Gemahlin, Berlin.
Nr. 73. Graf Westarp, Potsdam.
Nr. 187. Präs. v. Arnim, Gerswalde.
Nr. 191. Graf v. Wartensleben, Potsdam.
Nr. 398. Geheimrat Mentzel, Berlin.
Nr. 454. Prof. Encke, Berlin.
Nr. 516. Fürst Radziwill.
Nr. 768. Graf v. Itzenplitz.
Nr. 843. General v. Marwitz.

Und was zahlten die Badegäste? Ein Zimmer mit Bett kostete für die ganze Badezeit (6 Wochen) 20—30 Taler einschließlich Bedienung, ein gutes Mittagsbrot monatlich 10 Taler, täglich 12½ bis 15 Silbergroschen, in einzelnen Lokalen auch nur 10 Silbergroschen. Man kann nicht gerade sagen, daß diese Preise niedrig waren. Heringsdorf war schon damals teurer, aber dafür bekam man dort jederzeit Tee, Schokolade, Limonade, Bier und sogar Eis: alles Dinge, an die man in Swinemünde kaum dachte.

Quelle der Abbildungen: Das Seebad zu Swinemünde, Richard Kind, 1828

Es gibt schon etliche Artikel in unserem Blog über Swinemünde: Suchen 

One Thought on “Sommerfrische: Swinemünde um 1830-1840”

  • Theodor Fontanne hat auch viel Zeit am JORDANSEE bei MISDROY verbracht,
    er war nicht besonders begeistert , als man neue Wege, Bänke ,Infrastruktur da
    wesentlich verbesserte , er war mehr ein Naturmensch …

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