Das Staatsarchiv Köslin – Archiwum Państwowe w Koszalinie –  erinnerte diese Woche mit einer Postkarte an die schwere Sturmflut 1914, die vor 110 Jahren viele Dörfer an der Ostseeküste schwer schädigte. Auch in Zeitungen außerhalb Pommerns wurde darüber eingehend berichtet, so daß man z.B. über das deutsche Zeitungsportal  entsprechende Berichte, die oft wortgleich in unterschiedlichen Zeitungen erschienen, finden kann.

Wanderkarte durch die Umgebung Ostseebad Sorenbohm bis Laase

 

Wir haben hier Ausschnitte aus dem “Vorwärts” vom Montag, 12.01.1914 gewählt.

Die Sturmflut 

Wie bereits gemeldet worden ist, hat die letzte Sturmflut der Ostsee, die vor drei Tagen einsetzte, einen furchtbaren, noch gar nicht zu übersehenden Schaden angerichtet. Durch diese Katastrophe, der schwersten seit dem Jahre 1872, sind an der ganzen Ostseeküste, namentlich am Stettiner Haff und an der Rügenwalder Bucht, hunderte von Fischer- und Bauern Familien auf das schwerste geschädigt und zum Teil gänzlich ruiniert worden. Der Viehbestand ist vernichtet und die Leute haben die Häuser geräumt, die der unwiderstehlich heranbrausenden See zum Opfer gefallen sind.

Köslin, 11 Januar. Das gestern zur Rettung der durch das Hochwasser bedrohten Einwohner von Damkerort ausgesandte Militär konnte von der Station Schübben-Zanow mit Wagen abgeholt. die Mannschaften versuchten von Wussecken aus über Eventin-abbau nach dem Knasterwald vorzudringen. Da das Wasser aber gestiegen war und die dünne Eisdecke brach, so versanken die Mannschaften bis zu den Hüften in den Fluten. Die Mannschaften mussten deshalb die Nacht über in Repkow und Wussecken einquartiert werden. Einem Fischer und einem Journalisten gelang es, bis zum Laaser. Vorwerk und der der Hütte des Tagelöhners Prohl vorzudringen, der seit Tagen von aller Welt abgeschnitten ist. Vom Prohlschen Hause aus drangen beide über die überschwemmte Landzunge zwischen dem Buckower und Jamunder See weiter vor, wobei sie auf allen Vieren krochen um nicht in der dünnen Eisschicht einzubrechen. Das ganze Laaser Vorwerk war bis auf ein Haus geräumt. das Wasser stand Fuß hoch in den Stuben. Einem Deepper Eigentümer war es gelungen, mit seinem Sohne nach vierstündiger, mühevoller Arbeit, bis an den Hals im Wasser watend, nach Damkerort vorzudringen. Sie fanden dort auf der höchsten Düne die ganze Einwohnerschaft vor . Diese hatte die Nacht in dumpfer Verzweiflung,  in dem westlichen Gehöft des Dorfes zusammengepfercht, verbracht. Gegen 7 Uhr morgens kehrte der Eigentümer in einem Boot unter großen Schwierigkeiten nach Laase zurück. Infolge des großen Zuflusses aus dem Buckower See steigt das Wasser des Jamunder Sees andauernd. falls der Wind von Osten nach Westen umspringen sollte, dürfte die Situation für Laase sehr gefährlich werden. Heute früh versuchte das Militär, bis Laase vorzudringen, was ihm aber nicht gelang. Der Rand des Sees, auf dem die Boote liegen, ist eingefroren, so dass diese nicht gebrauchsfähig sind.

Aus Kolberg wird gemeldet, dass ein Teil der Strandpromenade von der See weggerissen ist. Die Persante zeigt Hochwasser, ist jedoch im Fallen begriffen. Die Waldenfelsschanze, die stark ins Meer vorspringt, ist von den Verheerungen nicht so stark mitgenommen wie bei der letzten Sturmflut. Bis Rügenwaldermünde ist die Telephonverbindung gestört. Man kann daher nichts über Verheerungen an der dortigen Küste erfahren.

 

Bericht eines Augenzeugen

Ein Augenzeuge gibt von den Verheerungen des Hochwassers an der Ostseeküste folgende Schilderung: ich fuhr heute Nachmittag mit der Strandbahn über Groß Möllen nach Nest. Schon hier standen alle Wiesen in der Nähe der Chaussee zu beiden Seiten derselben unter Wasser. Die Chaussee selbst war wasserfrei. In Nest standen die Häuser nach Deep zu schon im Wasser. Der Weg wurde jetzt gefahrvoll. Verschiedentlich brach ich Fuß tief ein . Ich versuchte vorzudringen, doch erwies sich dies als gänzlich unmöglich. das Wasser auf der Jamunder Seite war zugefroren und auch bei Puddemsdorf und Wussecken schien der See zugefroren zu sein. Bei Nest und bei Groß Möllen war Treibeis. Ich wandte mich dann der Ostsee zu,  die bereits stark zurückgetreten ist. Es herrschte bedeutende Brandung, doch war die See nicht mehr so reißend wie gestern und vorgestern. Ich versuchte nach Laase zu kommen, musste jedoch vor Deep umkehren. Aus dem Tief, bis zu dem ich kam, strömte viel Wasser in die Ostsee zurück, ein Zeichen dass das Wasser aus dem Jamunder See zurückflutet. Der Sturm war wesentlich abgeflaut, es wehte nur ein leichter Nordostwind. Viele Bade Hütten sind weggeschwemmt. Von den Dünen sind stellenweise Stücke von 10 bis 20 m weggerissen. Die Groß Möllener Badeanstalten sind sehr beschädigt. Die Strandterrassen sind vollständig mit Sand überzogen. Durch angeschwemmte Sandmassen ist der Strand erhöht worden. Auf der Strandbahn nach Groß Mölln herrschte  starker Verkehr. Bei Streitz ist ein Wagen entgleist jedoch sind Personen nicht verunglückt. Von der Rettungsexpedition des Infanterie-Regiments Nr 54 sind 10 Mann mit dem Leutnant in den Jamunder See eingebrochen so dass sie bis zum Hals im Wasser standen. Von Damkerort konnte ich nichts in Erfahrung bringen.

 


Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft zu Greifswald (14. Jahresbericht, 1913-1914) Die Ostseesturmfluten der Jahreswende 1913/14….

 

Aus Damkerort kam dann bald die telefonische Meldung, dass es den 100 Einwohnern gelungen sei, sich einen Weg nach Steinort zu bahnen. Dort seien sie von den Steinorter Fischern hilfsbereit aufgenommen worden. Laase und Damkerort wurden komplett vernichtet, die Einwohner konnten nur das nackte Leben retten, das Vieh ertrank in den Ställen.

Über Damkerort, einen Ortsteil der Gemeinde Neuwasser heißt es, man rechnete mit etwa 8 Sturmfluten pro Jahrhundert. Das Angebot, das Dorf zu verlegen, lehnten die Bewohner ab. 1925 wurde ein Verbindungsgraben vom Buckower See zur Ostsee angelegt und die Nehrung durch Bepflanzung befestigt.

Auch Laase erholte sich, das “freundliche Fischerdorf” hatte 1925 120 Einwohner. Man erreichte es mit dem Bus bis Nest und dann 9 km Fußmarsch durch den Sand. Es sei jahrelang das sommerliche Dorado einer Berliner Künstlerschar gewesen. (Aus: Perlen der Kösliner Ostseeküste, Rita Scheller, 1981)