Nach 140 Jahren wurde bei Erdarbeiten in Groß Boschpol – Bożepole Wielkie Kreis Lauenburg dieser erstaunlich gut erhaltene Grabstein freigelegt, er stammt von Oskar von
Dorne *29.11.1811, +24.09.1874

Grabstein Oskar von Dorne mit freundlicher Genehmigung von http://www.cmentarze.lebork.pl/
Grabstein Oskar von Dorne mit freundlicher Genehmigung von http://www.cmentarze.lebork.pl/

Im Buch Geschichte des Kreises Lauenburg in Pommern schreibt Franz Schultz 1912 zu Klein Boschpol (Bożepole Małe) : „Nach der Matrikel soll bereits 1801 Jonathan von Dorne rechtmäßiger Besitzer gewesen sein. Dieser am 15. September 1783 zu Danzig geborene Jonathan Ernst von Dorne entstammte einem alten Lübecker Patriziergeschlecht , dessen einer Zweig nach Danzig ausgewandert war.

Epitaph für Hermann von Dorne in der Marienkirche, Lübeck von  1594
Epitaph für Hermann von Dorne in der Marienkirche, Lübeck
von 1594 , Bild von Concord (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) via Wikimedia Commons

Sein Vater war der Danziger, 1787 verstorbene Ratsherr Johann Ludwig von Dorne, dessen Gemahlin Dorothee Friederike Heller, Tochter des Seniors des geistlichen Ministerii der damals freien Reichsstadt Danzig und Pastors Primarius an St. Marien, Jonathan Heller. Nach des Ratsherrn Tode verheiratete sich seine Witwe wieder mit dem ebenfalls verwitweten Besitzer von Groß Boschpol, dem späteren Landrat der Kreise Lauenburg und Bütow, Ernst Ludwig von Weiher. 1827 verstarb Johann[Jonathan?] von Dorne. Seine Witwe Rosine, geb. von Grumbkow, führte die Gutswirtschaft für den einzig überlebenden Sohn Oscar von Dorne, geboren am 29. November 1811, bis derselbe im Jahre 1836, als Offizier verabschiedet, das Gut übernahm. Seine Gemahlin war Leontine geb. von Zelewski aus Paraschin; seine Ehe blieb kinderlos. Oscar von Dorne verstarb 1874, der letzte Träger des Namens von Dorne.“

Barbara Boehnke stellte uns freundlicherweise die Überlieferungen ihres Großonkels zur Familie zur Verfügung. Leo Robert von Bonin (mehr zu ihm in der Ortsbeschreibung Darsow/Kreis Stolp ) schreibt in seinen Aufzeichnungen zu der Familie folgendes:

„Als während der Befreiungskriege [1813-1815] auf dem hiesigen Gutshof ein französisches Kommando erschien, um für die aus Rußland zurückflutende geschlagene Armee Vieh zu requirieren, das infolge der Kriegsereignisse ohnehin überaus stark dezimiert war, stellte sich ihm die Großmutter [Rosina von Dorne, *von Grumbkow], eine stattliche junge Frau, entgegen und erklärte, daß der Weg in den Stall nur über ihre Leiche führe. Während des darauf folgenden Palavers wurde das Vieh durch eine Hintertür in den nahen Wald getrieben. Erst als die Großmutter das Vieh in Sicherheit wußte, gab sie den Weg in den Stall frei. “

Nachdem Tante Adelaide eine Weile geschwiegen und überlegt hatte, ob das wohl für Kinderohren geeignet sei, fuhr sie zu erzählen fort:

„Ihr wißt, meine Urgroßmutter, die Frau des Danziger Ratsherrn Johann Ludwig von Dorne, hatte in zweiter Ehe den Landrat von Weiher aus Groß Boschpol geheiratet. Zwischen ihm und meiner Großmutter Rosina bestand ein besonders herzliches Verhältnis, denn sie sah in ihm den Vater, während er sie wie das eigene Kind liebte. Daher quälte die Großmutter ständig der Gedanke, daß der alte Herr sterben könnte, ohne daß sie ihn noch einmal gesehen hätte. Darum versprach er, er würde von ihr Abschied nehmen, sollte er früher sterben.

In der Dunkelheit eines anbrechenden Herbstmorgens – es war der 12. Oktober 1814 -wachte Großmutter davon auf, daß die Tür ihres Schlafzimmers geöffnet und Schritte im Zimmer hörbar wurden. Sie glaubte, das Mädchen sei gekommen, um Feuer im Kachelofen anzulegen. Zu ihrem namenlosen Schreck aber näherten sich die Schritte ihrem Bett, und sie hörte die Stimme des alten Herrn: ‚Rosinchen, ich sterbe und bin jetzt hier, um mein Versprechen einzulösen.‘ Bei diesen Worten spürte sie den kräftigen Druck seiner Finger unter dem Kinn, um dann den sich entfernenden Schritten nachzuhorchen.

In großer Sorge um den väterlichen Freund erwartete Großmutter den aufziehenden Tag, um einen reitenden Boten nach dem 18 Kilometer entfernten Lauenburg zu senden. Bald kam dieser mit der Meldung zurück, daß der Herr Landrat gestorben sei. “

Tante Adelaide beendete hier die Erzählung mit den Worten: „Und wenn Großmutter dies erzählt hatte, band sie stets die Bänder ihrer Haube auf und zeigte uns die deutlich sichtbaren Fingerabdrücke an ihrer Kehle, die seitdem nicht mehr verschwunden waren.“

Eine Weile herrschte Stille. Tante Adelaide waren einige Maschen von der Stricknadel gefallen, die sie wieder aufnehmen mußte. Danach fuhr sie zu erzählen fort:

Klein Boschpol auf einer Karte  ca 1912
Klein Boschpol auf einer Karte ca 1912

„1806 war das Klein Boschpoler Gutshaus abgebrannt. Ein Wiederaufbau war nicht möglich, weil die Faust Napoleons schwer und drückend auf Preußen lag, das er gerade in der Schlacht von Jena und Auerstedt geschlagen hatte. Daher mußten die Großeltern mit einem kleinen Haus vorliebnehmen, als sie am 17. August 1808 heirateten. Erst nach den Befreiungskriegen gelang es der Großmutter, die sich in jenen schweren Jahren durch ihr beherztes, energisches, aber auch hilfsbereites Auftreten bei allen Menschen eine große Achtung erworben hatte, das Gutshaus wieder aufzubauen, indem ihr alle Nach­barn mit Hand- und Spanndiensten halfen, bis das Haus für 3 000 Thaler fertiggestellt werden konnte. Geliebt und verehrt führte die Großmutter ein reiches und gesegnetes Leben. Sie war der Mittelpunkt der Familie, zumal nach dem Tode des Groß­vaters, meiner Mutter und Stiefmutter.“

Klein Boschpol
Klein Boschpol mit dem Gutshaus

Hier brach Tante Adelaide ihre Erzählung ab, und es bleibt mir noch zu berichten übrig, daß die Ur-Urgroßmutter Rosina von Dorne hochbetagt am 27. August 1865 starb. In ihren letzten Lebensjahren muß die Ur-Urgroßmutter für ihre Mitmenschen aber nicht mehr ganz einfach zu ertragen gewesen sein, was bei ihrer großen Energie, mit der sie schwie­rigste   Situationen gemeistert hatte, wohl verständlich ist, denn es hat von ihr geheißen:

„Die alte Frau von Dorne schuf Gott in seinem Zorne.“

Nach dem Tode unserer Urgroßmutter Adelaide von Stojentin am 24. Mai 1855 war Oskar von Dorne der letzte seiner Geschwister. Er wurde am 29. November 1811 geboren und war mit Fräulein von Zelewski, der Tochter seines Gutsnachbarn aus Balomin, verheiratet. Seine Ehe blieb kinderlos.

Der Urgroßonkel Oskar war ein großer, stattlicher und zur körperlichen Fülle neigender Mann, ein Freund der guten Küche. Er führte ein sehr gastfreies Haus. Jeder kehrte gern im Klein Boschpoler Gutshaus ein, wo er mit frischen Forellen oder delikaten Hasel­hühnern bewirtet wurde, von denen es im nahen Lebastrom sowie in dem Klein Boschpoler Wald gab. Beide verstand der Urgroßonkel mit großem Geschick zu angeln beziehungs­weise heranzulocken und zu erlegen. Im Klein Boschpoler Haus hingen entzückende Bilder, die ihn bei der Haselhuhnjagd oder die Angel werfend zeigten.

Wir wurden aber nicht nur durch diese Bilder an den einstigen Klein-Boschpoler Gutsherrn erinnert; vielmehr entdeckten wir in einer AbstelIkammer ein großes Sprachrohr aus Messing, einer Trompete ähnlich. Mit ihm hatte der Urgroßonkel seine Anordnungen der etwa 700 Meter entfernten Posthalterei gegeben, die an der Chaussee Stettin-Danzig-Königsberg lag, da es ein Telefon damals noch nicht gab und auch noch nicht die Eisenbahn. Die Reisenden waren vielmehr auf die Postkutsche angewiesen, die in gewissen Abständen auf den Relaisstationen mit neuen Pferden bespannt wurde, damit die Reise flott vonstattengehen konnte. Die Stellung der Pferde gehörte unter anderem zu den Pflichten des Ur-großonkels Oskar von Dorne, der die Posthalterei auf einem gewissen Streckenabschnitt vom Staat gepachtet hatte – ein durchaus einträgliches Unternehmen. Es mögen oft Reisende eine oder mehrere Postkutschen in Klein-Boschpol überschlagen haben, um dem befreundeten Gutsherrn einen Besuch abzustatten.

Es bleibt zu erwähnen, daß der Urgroßonkel zu den Mitbegründern des Lauenburger land­wirtschaftlichen Vereins zu zählen ist, aus dem sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte die Pommersche Landwirtschaftliche Hauptgenossenschaft in Stettin entwickelt hat.

Oskar von Dorne starb Ende der siebziger oder Anfang der achtziger Jahre. Die beiden Töchter seiner Schwestern erbten Klein Boschpol, und zwar Tante Adelaide von Voß und unsere Großmutter Rosalie von Bonin.“

Vom Gutshaus in Klein Boschpol ist nicht mehr viel übrig geblieben, diese Webseite zeigt Bilder aus 2013.
Um so schöner, das man sich durch die Aufzeichnungen der Familie doch ein Bild von dem Mann machen kann, der unter dem gefundenen Grabstein bestattet war.