Immer wieder werden Kunst-und Urkundenfälschungen entdeckt wie beispielsweise die Fälschung der Hitler-Tagebücher. Dass es aber auch um 1700 in Pommern schon Urkundenfälschung großen Stils gegeben hat, war mir vollkommen neu.
Auf den Seiten des Staatsarchivs Stettin entdeckte ich interessante Bilder von alten Personen und geistlichen Würdenträgern Pommerns . Im begleitenden Text stieß ich erstmals auf den Namen Samuel Gottlieb (auch: Gottlob) Pristaff als einen Fälscher pommerscher Urkunden.
Wie kam er dazu?
Pristaff stammte aus einer Pastorenfamilie[1], der Großvater Cyprian war Prediger in Falkenhagen in der Mittelmark, der Vater Christian war erst in Cüstrin und dann 22 Jahre lang in Cottbus tätig. Er verstarb 1710 mit 63 Jahren. Auch seine Gattin, Margaretha Krüger, war eine Pfarrerstochter. Es sind zwei Söhne bekannt, Theodor wurde Auditeur (Militärgerichtsbeamter?) in Cüstrin und unser Samuel wählte – welche Überraschung – den Pfarrerberuf. Obige Quelle bezeichnet ihn als Feldprediger und dann Pastor zu Gronau, ADB[2] schreibt: „dann anfangs zu Grapzow bei Treptow a. d. Tollense und später zu Langenhagen bei Treptow a. d. Rega“ Diese Version findet sich auch im pommerschen Pfarrerbuch[3], das ganz diskret nur weiterberichtet: „1729 wurde er seines Amtes entlassen.“ und auf Oelrichs[4] verweist. Schwarz[5] hingegen erzählt die ganze Geschichte: „Er war in Langenhagen unweit Treptow an der Rega einem alten Prediger, der ein junge Frau hatte, zugeordert, mit der er sich aber in einer unzulässigen Vertrauligkeit einliess und endlich gar nach Danzig verfügte, ward aber wieder ausgeliefert und würde in die verdinete Strafe verfallen seyn, wan nicht, weil er eine ziemliche Länge hatte, die Entscheidung preussischer Soldat zu sein ihn davon befreite.“
Wegen seiner ungewöhnlichen Körpergröße von 6 Fuß (ca. 190 cm)wurde er als gemeiner Soldat dem Infanterie-Regiment v. Borck in Stargard zugeordnet. [6] (meint wohl Infanterieregiment von Borcke, damaliger Kommandant Adrian Bernhard Graf v. Borcke )
Bei dem Gehörnten Pastor handelte es sich wohl um Johann Friedrich Meyer, der in erster (?) Ehe mit der Witwe des Vorgängers verheiratet war. Ob der Pristaff, wie es wohl hiess, die junge entführte Ehefrau geheiratet hat, ist fraglich, Oelrichs berichtet, dass nach seinem Ableben eine „sogenannte Witwe hinterlassen habe, die ihm aber, soviel man weiß, nicht angetrauet gewesen wäre.“
Aufgrund gesundheitlicher Probleme (Lungentuberkulose)[7] verließ Pristaff 1732 die Reihen der Armee und ließ sich in Vorpommern nieder.
Giesebrecht beschreibt in den Baltischen Studien [8] das Klima der damaligen Zeit: „Es herrschte damals, mehr als später, in Pommern die Neigung zum Sammeln. Urkunden, Siegel, Münzen, bewegliche Alterthümer verschiedener Zeit, Zeichnungen unbeweglicher Gegenstände, Landkarten etc. wurden eifrigst zusammengebracht.; reichere Personen liessen sich ihre Liebhaberei mitunter bedeutendes kosten.“
Und so gelang es Pristaff, sich mit zahlreichen Gelehrten anzufreunden und er begann einen schwunghaften Handel mit Urkunden und anderen historischen Belegen. Er reiste mehrfach durch Pommern und Rügen, eines seiner damaligen Empfehlungsschreiben, verfasst von Timotheus Lütkemann (s.u.) hat sich erhalten und wurde in den Monatsblättern für pommersche Geschichte, Band4 1890 Nummer 8 abgedruckt.
Zu seinen Opfern zählte u.a. Albert Georg Schwartz, dem er den Abrieb eines angeblichen Runensteins aus Drewoldke auf Rügen und gefälschte Münzen auch aus Rügen präsentierte. Viel trug er auch zur Verbreitung der Vineta-Sage bei. Oelrichs listet eine ganze Reihe von Fälschungen auf, darunter etliche Stadtbeschreibungen, die Pristaff auch unter dem Namen Adam Gerschow veröffentlichte. Weiter prominente Opfer waren: Augustin von Balthasar, Jurist und später Rektor an der Universität Greifswald, Johann Gottfried Hornejus, der spätere Generalsuperintendent Pommerns, Matthias Heinrich Liebeherr, der Stettiner Bürgermeister sowie Timotheus Lütkemann, Generalsuperintendent von Vorpommern.
Man kann sich die Empörung und Verärgerung vorstellen, als herauskam, wie sehr Pristaff alle an der Nase herumgeführt hatte. In diesem Licht muss man auch die Angaben von Schwarz und Oelrichs zu ihm lesen. Schwarz behauptet natürlich, die Betrügereien schon sofort gemerkt zu haben. Immerhin bescheinigt Oelrichs dem P. aber, dass er sehr hurtig lesen und schreiben, etwas zeichnen und es mit Farben ausmalen könne.
Pristaff starb am 10. Januar 1736 nach kurzer Krankheit in Anklam, bevor das volle Ausmaß seiner Betrügereien bekannt wurde.
Er muss wohl mehr als die obigen Talente besessen haben, denn die gesamte pommersche Gelehrtenschicht zu täuschen und in kurzer Zeit so viele Chroniken zu verfassen, die laut Pyl [6] große Belesenheit verraten, dazu gehört schon mehr als lesen, schreiben und zeichnen zu können.
Mit dem Ankauf des Nachlasses des Stralsunder Bankiers Carl Weyergang 1883 gelangten etliche dieser Pristaffschen Fälschungen in den Besitz des Stettiner Staatsarchives.
Mögen die Zeichnungen auch reine Produkte seine Fantasie sein, hübsch anzuschauen sind sie doch. Urteilen Sie selbst.
M.Ott
Literatur: Günter Krieg / Lutz Mohr; Gottlieb Samuel Pristaff – ein Fälscher? in: Heimathefte für Mecklenburg und Vorpommern Sv. 10 Z. 2 (2000), 35-37
[1] Nachricht von den Kirchen und ihren Lehrern zu Cottbus, Friedrich Theodor Lademann, 1799, http://books.google.de/books?id=dTpCAAAAcAAJ Seite 12-13
[2] http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Pristaff,_Gottlieb_Samuel
[3] Die evangelischen Geistlichen Pommerns 1. Teil, Moderow, 1903
[4] Historisch-diplomatische beyträge zur litterarischen geschichte: fürnehmlich des herzogthums Pommern, von Johann Carl Conrad Oelrichs , Berlin 1790 http://books.google.de/books?id=yVZFAAAAYAAJ S. 81 ff.
[5] Albrecht Georg Schwartz, Versuch einer Pommersch- und Rügianischen Lehn-Historie: Erhaltend …, Band 2 s. 1079 1740 http://books.google.de/books?id=UMtBAAAAcAAJ
[6] http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Pristaff,_Gottlieb_Samuel
[8] Baltische Studien 14 Jahrgang 1850 Heft ½ S. 187 ff.