Begriffe und Ausweisdokumente in Familienbüchern ab 1938
In einer Reihe in den sozialen Medien berichteten wir über Begriffe und Ausweisdokumente, die in den Familienbüchern ab 1938 auftauchten. Das Personenstandsgesetz von 1937 änderte Heiratsurkunden auf dem Standesamt in Familienbücher, die ab dem 1.7.1938 eingeführt wurden. Für den Familienforscher sind diese Bücher eine Goldgrube, da sie im Idealfall die Eltern der Brautleute aufführten.
Bei den Familienbüchern ab 1938 gab es eine extra Seite für uneheliche, voreheliche oder adoptierte Kinder.
In Urkunden aus der NS-Zeit tauchen oft „typische“ Begriffe auf:
„Gottgläubig“
Als gottgläubig galt, wer aus der Kirche ausgetreten, jedoch nicht glaubenslos war (https://de.wikipedia.org/wiki/Gottgl%C3%A4ubig).
„Deutsche Gotterkenntnis“
Das war ein nationalreligiöser Verein, der 1937 den Namen Bund für Deutsche Gotterkenntnis erhielt und ins Vereinsregister eingetragen wurde. Die Ludendorff-Bewegung gehört damit zu den wenigen Ausläufern der völkischen Bewegung, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft geduldet wurden (https://de.wikipedia.org/wiki/Bund_f%C3%BCr_Deutsche_Gotterkenntnis).
„Neuapostolisch“
Zu den eher seltenen Religionsbekenntnissen, die in Heiratsurkunden nach 1938 auftauchen, gehört „neuapostolisch“. Die Kirche wurde kurzfristig 1933 verboten, passte sich aber später wohl dem nationalsozialistischen Regime an (https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Neuapostolischen_Kirche#Neuapostolische_Kirche_im_Nationalsozialismus).
„postume Trauung“ oder „Leichentrauung“
Eine durch den Krieg bedingte Sonderform der Eheschließung war die postume Trauung oder Leichentrauung. Oft, aber nicht immer, gab es gemeinsame Kinder.
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Eherecht_im_Zweiten_Weltkrieg
„Trauung mit dem Stahlhelm“
Die Ferntrauung, auch „Trauung mit dem Stahlhelm“ war eine Sonderform des Eherechts im zweiten Weltkrieg. Die Trauung musste zwischen 2 und 9 Monaten nach Willensbekundung des Mannes stattfinden (https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Eherecht_im_Zweiten_Weltkrieg).
„deutschblütig“
Als „deutschblütig“ galten Personen, die von deutschen Vorfahren abstammten. Lt. Wikipedia ist eine „…Tendenz feststellbar, den schwammigen Begriff „arisch“ durch vermeintlich präzisere Begriffe wie „deutschblütig“ und „artverwandt“ zu ersetzen.“
„Führeranwärter“
Eine seltsame Berufsbezeichnung, aber die Ordensburg Vogelsang führt dann auf die richtige Spur: Schulungsstätte für den Nachwuchs des NSDAP-Führungskaders.
Ausweisdokumente
Auf dem Standesamt musste man sich auch nach 1938 irgendwie ausweisen. Nur bei kleineren Standesämtern reichte ein: „bekannt“.
„Kontrollkarte für den Einkauf von Tabakwaren“
Es gibt eine erstaunliche Vielzahl von möglichen Ausweisdokumenten. Haben sie so etwas schon gesehen?
Ein Beispiel für solch eine Kontrollkarte findet sich auf: https://global.museum-digital.org/object/73799?navlang=de
„Reichsarbeitsdient Paß“
Auch der „Reichsarbeitsdient Paß“ wurde zur Legitimation auf dem Standesamt benutzt. Er war immerhin mit einem Foto ausgestattet. Vom Beginn des Zweiten Weltkrieges an wurde der Reichsarbeitsdienst auf die weibliche Jugend ausgedehnt (https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsarbeitsdienst).
„Reichskleiderkarten“
Ab 1939 wurden Reichskleiderkarten eingeführt. Es wurden Textilien wie Socken, Pullover, Kleider etc. rationiert. Auch eine solche Karte wurde zur Legitimation auf dem Standesamt benutzt.
„Teilnehmerausweis der Deutschen Arbeitsfront“
Teilnehmerausweis der Deutschen Arbeitsfront. Nach Zerschlagung der Gewerkschaften war diese Zwangsgemeinschaft von Arbeitnehmern und Arbeitgebern mit 25 Millionen Mitgliedern im Jahr 1942 die größte Massenorganisation im Deutschen Reich.
„NSKK Ausweis“
Das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) war eine paramilitärische Unterorganisation der NSDAP mit 1940 mehr als 0,5 Millionen Mitgliedern. Während des Zweiten Weltkrieges war das NSKK in großem Ausmaß an den Deportationen von Juden und dem Holocaust beteiligt.
Namensänderungsverordnung
Die Auswirkungen eines weiteren Gesetzes finden sich auch in Standesamturkunden dokumentiert: Die Namensänderungsverordnung vom 17. August 1938 (RGBl I, 1044) zielte darauf ab, jüdische Deutsche anhand ihrer Vornamen kenntlich zu machen. Sofern sie nicht ohnehin bereits einen jüdischen Vornamen trugen, der „im deutschen Volk als typisch angesehen“ wurde, mussten sie vom Januar 1939 an zusätzlich den Vornamen Israel oder Sara annehmen. So wurde aus Willi ein Willi Israel..
Haben sie weitere ungewöhnliche Begriffe oder Ausweisdokumente entdeckt? Dann nutzen sie gerne die Kommentarfunktion und geben sie bitte möglichst die Referenz zum Dokument mit an.