Die Glocken von Vineta klangen herauf – Kein Fischer durfte dann über die Stadt fahren.
Im pommerschen Volk war seit altersher die Überlieferung weit verbreitet, bei der Geburt Christi habe ein Engel dem Hirten befohlen, die Menschen in jedem Jahr durch lautes Blasen mit riesigen Tuthörnern an die stille, heilige Nacht zu erinnern. In manchen Orten war es daher üblich, daß am Heiligen Abend der Gemeindehirt vor jeder Tür Halt machte, blies und dafür eine kleine Gabe sammelte. Dieser Brauch bestand in einigen Dörfern, so in Schönberg bei Stargard, noch bis in die letzte Zeit. In der kleinen Stadt Fiddichow an der Oder, südlich von Stettin, hatte sich noch bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts das große „Weihnachtstuten“ erhalten. Meilenweit kamen dort aus der Umgebung die Gemeinde- und Gutsschäfer nach Fiddichow gewandert, auf dem Rücken die Tuthörner, eigenartig geformte, längliche Instrumente. Diese seltsame Schar der Schäfer sammelte sich in der Kirche von Fiddichow zur Christvesper. Nach dem Gottesdienst begann das Weihnachtstuten vor jedem Haus der kleinen Stadt. Man darf sich darunter keinen Ohrenschmaus, keine Engelschalmeien vorstellen. Wohl war diese „Musik“ gut gemeint, aber nicht sehr wohltönend. Sie war, wie ein Zeitgenosse berichtet, „ohr- und herzzerreißend“! Nach beendetem Konzert trat der Stadtschäfer in das Haus, brachte einen kurzen Weihnachtswunsch vor und erhielt zum Dank ein Viergroschenstück, Kümmelbrot und Branntwein.
In manchen Gegenden Pommerns ertönten zum Frühgottesdienst des ersten Weihnachtstages die sogenannten „Quempas-Lieder“ (nach den lateinischen Worten „quem pastores laudavere“), alte, auf die Weihnachtsgeschichte bezügliche Wechselgesänge in lateinischer und deutscher Form, die von mehreren Sängerchören nach selbstgeschriebenen und mit bildlichen Darstellungen geschmückten Texten gesungen wurden. Mitgebrachte Lichter erhellten die dunkle Kirche.
Zum Weihnachtsfest gehörte in Pommern selbstverständlich auch ein gutes Essen. In manchen Gegenden gab es als Festgericht einen an den altgermanischen Jul-Eber erinnernden Schweinskopf mit Grünkohl. In anderen Teilen Pommerns gab es dagegen Erbsen. Nur im östlichen Pommern hielt man nicht viel von diesem „Christkohl“ oder den „Christerbsen“. Hier hielt man sich an Gänsebraten und abends an die Spickgans. Auch unter dem „Gebäcksel“ gab es eine Besonderheit: das waren die „Kollatschen“, längliche Kuchen mit Früchten und Marmelade gefüllt, oft bis zu 50 cm lang. Dann gab es auch „Blutkuchen“, aus Mehl, Schweine-oder Gänseblut und Rosinen bereitet, die „Tollatsche“. In der Stettiner Gegend backte man den länglich-spitzen „Wolf“ mit Rosinenaugen. An der Leba gab es die viel förmigen „Kramonken“, kleine Weihnachtskuchen für den bunten Teller.
Nach altem Brauch erhielten die Pastoren einen Teil des Geschlachteten und Gebackenen als Weihnachtsgabe. Man nannte diese Abgaben „Weihnachtspröven“. So selbstverständlich war diese Sitte in Pommern, daß in einem alten Visitationsprotokoll über Jakobsdorf im Kreise Saatzig der ausdrückliche Vermerk über den dortigen Pastor enthalten war: „Er bekommt keine Bratwurst!“
Auch viele Sagen und Märchen unserer Heimat spielen um die Weihnachtszeit, besonders die Weissagungen und Verheißungen sollen in der Christnacht sich erfüllen. So hört man nur in dieser Nacht die Glocken der versunkenen Stadt Vineta, vom Grunde der Ostsee heraufklingen. Der Fischer, der das Läuten hört und trotzdem über die Stadt hinwegfährt, muß sterben, ehe noch das Neue Jahr beginnt.
Eine andere Sage erzählt: bei Cammin stand vor langer Zeit eine alte Mühle, die siebenmal hintereinander in Flammen aufging. Es wird berichtet, daß dort sieben Landsknechte am Heiligen Abend Karten gespielt und gewürfelt haben und deshalb verdammt wurden.
Bei Stettin liegt eine verwunschene Heide, in der die Seelen der abgeschiedenen Seelen hausen. Wenn die Weihnachtszeit beginnt, jammern sie laut, denn das ist ihre Marterzeit. Wehe dem, der in der Christnacht Zank und Streit anfängt, ihm senden die Bösen einen „Wolkenbrief“ und ziehen ihn in ihre Mitte.
Die schönste der pommerschen Christnachtsagen berichtet von der Goldmöwe. Und dieses schöne kleine Märchen soll zum Abschluß hier in ein paar Versen erzählt werden:
Die goldene Möwe
Bewegt ein großer Wunsch Dein Herz,
dann fahre in das Pommerland
und gehe in der Weihnachtszeit
ganz stumm und heimlich an den Strand.
Dein Wunsch geht in Erfüllung bald,
wenn sich ein Licht im Osten zeigt,
und eine Möwe ganz aus Gold
hinauf zum Sternenhimmel steigt.
Und leuchtet sie auch sonnenhell,
halt aus, mach‘ nicht die Augen zu,
sonst geht es Dir mit Deinem Wunsch
wie einst dem Fischer syner Fru.
Text von Klaus Granzow in Pommersche Saat, Monatsblätter für die Gestaltung von Heimatabenden, Heft 4, 1962. Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis von Familie Schlichting.
Mehr Weihnachtliches auf den Seiten des Pommerschen Greif:
Pommersche Weihnachtsbräuche Dr. Walther Borchers aus: Pommersche Heimatkirche, Ausgabe Weihnachten 1935
Eine Weihnachtsfeier im Jahre 1534 Autor: Karl Rosenow, Quelle: Beilage der Rügenwalder Zeitung „Aus der Heimat“ Nr. 15 im Dezember 1925.
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Lieber Forum-Teilnehmer,
Herzlichen Dank für die „Schöne weihnachtliche und besinnliche Musik“.
Man muß diese Musik im Herzen und im Kopfe haben um sie zu lieben.
Danke !
Frohe festliche Tage und alles Liebe, alles Gute und alles Schöne für das Jahr
2013 und die nachfolgenden Jahre.
Herzlichst
Bernd Ziesemann
Hamburg
wünscht