Kommissar Greif

Dass es in Soltau viel zu lernen gab über unsere Ahnenforschung, davon war ich ausgegangen. Aber dass am späteren Abend beim zweiten Bier in der Hotelbar die Klärung eines mehr als hundert Jahre alten Mordfalls ihren Ausgang nehmen würde, damit hatten weder der Urenkel des Mordopfers noch ich gerechnet.

„Jetzt noch eine kleine Räuberpistole“, begann Burkhard die Erzählung über den tragischen Tod seines Urgroßvaters. Der Maschinist Julius Schmidt wurde am 8. Juli 1862 in Groß Stepenitz im Kreis Kammin geboren. Am 27. Februar 1892 heiratete er Helene Koplin aus Pölitz, südlich des Stettiner Haffs, wo die Familie dann auch lebte. 1896 wurde Julius Schmidt nach Schwedt an der Oder versetzt.

Eine passable Wohnung zu finden war schon Ende des 19. Jahrhunderts ein nicht zu unterschätzendes Problem und die Bleibe, die man ihm zuteilte, beherbergte bereits einige Untermieter – Ratten. Die mussten raus und Julius machte sich auf, Gift gegen die Nager zu organisieren. In der Familie war überliefert, dass Julius Schmidt eine Apotheke betrat, Rattengift orderte, der Apotheker aber stattdessen die Pistole zog und mit den Worten „So gehen wir hier mit Ratten um.“ vor den Augen der entsetzten Gattin Helene, die zudem schwanger war, auf den armen Julius schoss. Der soll das Attentat zwar einige Monate überlebt haben, sei aber später an den Folgen der Schussverletzung gestorben.

Julius Schmidt, Quelle: Familie Schmidt

Gespannt und kopfschüttelnd hörten wir uns die Erzählung von Burkhard an. Was war nur in den Apotheker gefahren? War der Mord aufgeklärt worden oder war der Täter geflüchtet? Die arme Familie, so ein sinnloser Tod. Vieles hatte der Urenkel bereits unternommen, die Ereignisse zu verifizieren, aber das Attentat auf Julius schien keinen Weg in die Archive gefunden zu haben.

Am noch späteren Abend und mittlerweile im Hotelzimmer ließ mich die Schießerei immer noch nicht los. Und ich dachte mir – wenn mich mehr als hundert Jahre später das Schicksal von Julius umtrieb, wie mag das dann den Menschen Ende des 19. Jahrhunderts gegangen sein? Mord und Totschlag, das erfreut sich heute als True Crime in Fernsehen und Podcasts großen Erfolgs. Die Medien, mittels derer sich die Menschen damals im Deutschen Reich einen Schauer über den Rücken laufen ließen, waren die Zeitungen. Schon wesentlich unspektakulärere Geschichten hatte ich in entsprechenden Portalen gefunden, da könnte es dieser Mord doch auch in die Gazetten geschafft haben.

Schwedt und Rattengift waren die Begriffe, die ich in das Suchfeld des Deutschen Zeitschriftenportals eingab und tatsächlich – da war sie, die Geschichte von Julius und dem hinterlistigen Rattengiftverkäufer. Nicht nur in einer Zeitung, sondern gleich in mehreren, von Sachsen bis ins Rheinland. Kein Apotheker, sondern Drogist, nicht 1895, wie in Burkhards Familie überliefert, sondern Ende April 1896, aber ansonsten stimmte die Geschichte. Der Täter war der Drogist Kreit gewesen.

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Digipress Zeitungsportal

Digipress Zeitungsportal

Eine wertvolle Quelle für die Familienforschung!

https://digipress.digitale-sammlungen.de/

„Hebung eines historischen Schatzes“

Unter diesem Titel findet man auf Seite 50 des Bibliotheksmagazins 1/2018 mit Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München

http://staatsbibliothek-berlin.de/fileadmin/user_upload/Bibliotheksmagazin_2018_1.pdf

einen lesenswerten Hintergrundartikel zum Zeitungsportal *Digipress*. Dort finden sich schon über 6,5 Millionen Seiten, die sehr gut auch Volltext durchsuchbar sind.

Kreis Königsberg Neumark: Zeitungsdatenbank

Kr. Königsberg Neumark: Zeitungsdatenbank
Der Projektleiter Stefan Rückling berichtet: “ In den letzten Wochen wurde mehrmals die Königsberger Zeitungsdatenbank erweitert. Enthalten sind für die Städte Cüstrin, Königsberg und Neudamm Meldungen der Pfarrer über Geburten, Heiraten und Sterbefälle an die Lokalzeitungen, wo diese Meldungen dann veröffentlicht wurden (wodurch man gewissermaßen „Kirchenbuch-Triplikate“ erhält). Die Datenbank umfasst derzeit den Zeitraum von 1830 bis 1867, wobei nicht alle Zeitungen lückenlos überliefert sind. Erfasst sind bisher: 5105 Geburten; 1647 Heiraten; 6171 Sterbefälle.

Die Datenbank ist frei nutzbar: https://agoff.de/?p=84741 .“
Eine Suche kann nach Personen- und Ortsnamen erfolgen.
Bild: Rathaus in Chojna (dt. Königsberg in der Neumark). Das Gebäude, im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört, wurde von 1977 bis 1986 als Kulturzentrum, Stadtbibliothek und Gaststätte wieder aufgebaut.