Silvester – die Zwölfnächte
Fortsetzung von “Die Zwölfnächte”
aus: Karl Rosenow in der Ostpommerschen Heimat 1934, Heft 51 und 52
Am schlimmsten ist es aber in der Silvesternacht. Beim Übergang ins neue Jahr, da ist es den Menschen bald mehr bald weniger gestattet den Schleier von der Zukunft zu lüften. Manche Leute sollen die Gabe des zweiten Gesichts haben. Wenn ein mit dieser unheilvollen Gabe behaftete am Silvesterabend nach 11 Uhr rückwärts aus der Haustür tritt, so kann er am Schornstein allerlei sehen, was im kommenden Jahre geschehen wird. Eine Wiege bedeutet die Geburt eines Kindes im Hause, ein Kranz eine Hochzeit, ein Sarg einen Todesfall. Auch beim Umgang ums Haus sieht er mancherlei Zukünftiges. Wenn er seiner eigenen Gestalt begegnet, muss er im neuen Jahre sterben.
Besonders das junge Volk möchte natürlich erfahren, was ihm im neuen Jahre bevorsteht. Der junge Mann oder das junge Mädchen hüllt sich in ein weißes Laken, nimmt in jede Hand ein brennendes Licht und tritt rücklings in ein leeres Zimmer vor einen Spiegel und ruft “Schicksal, ich rufe Dich!” Nach einer Kehrtwendung sieht man dann den Ehepart. Sieht man sich allein, bleibt man wieder unverlobt. Sieht man eine zweite weiße Gestalt, bedeutet es den Tod. (mehr …)