Auf dem Lande erscheinen die Winterabende länger und dunkler, als in der Stadt. In den kürzesten Tagen hört die Arbeit schon um 4 Uhr auf, ebenso aller Verkehr außerhalb der Häuser. Nur die wenigen Leute, denen die Wartung des Viehes anvertraut ist, begeben sich nach den Ställen. Die meisten verlassen die Wohnungen gar nicht mehr. Lange, freie Stunden stehen dann den halberwachsenen Kindern, den jungen Burschen und Mädchen, die keine Arbeit im Haushalt haben, zur Verfügung. Wie schön könnten sie diese Stunden zur Erlernung allerlei guter und nützlicher Dinge verwerten! Leider ist das nur selten der Fall.
Laßt uns die 6 Mädchen begleiten, Kinder von 13—14 Jahren, die sich im letzten Dämmerschein des Tages von ihren elterlichen Wohnungen zum herrschaftlichen Haus begeben. Sie gehen zur Kochstunde!
In der geräumigen Küche empfängt sie die freundliche Wirtschafterin, Mamsell genannt, die, das klappernde Schlüsselbund als Zeichen ihrer Würde im Gürtel, am Herde schafft, die verschiedenen Mädchen anstellt und in Kellern und Vorratsräumen waltet. Die Kinder bleiben verlegen an der Tür stehen. „Nun, was werden wir heut kochen?“ meint Mamsell. Ein glückliches Lächeln erhellt die Kindermienen. Eine andere Antwort scheint sie nicht erwartet zu haben, denn sie gibt selbst die Auskunft: Griessuppe und gelbe Rüben!
Schnell werden die Kinder angestellt. Zwei von ihnen putzen und schneiden die Rüben, nachdem sie sich vorher in der Blech-Waschschüssel die Hände gesäubert haben. Zwei holen Wasser von der Pumpe vor der Haustür, zwei andere Torf und Holz aus dem nahen Holzstall. Dann wird eine einfache Gries-Wassersuppe bereitet. — Gleichzeitig herrscht in der Küche reges Leben und Treiben. Zwei Mädchen rüsten sich, um im Kuhstall zu melken. Laternen werden dazu angesteckt, Milchkannen und Eimer auf einen kleinen Handwagen geladen und, begleitet von einigen Frauen, geht es rasselnd über den Hof zum Kuhstall. In einem großen Kupferkessel kocht die Leuteköchin die Kartoffeln für die Knechte, die mit dem Salzhering ihren Abendimbiss bilden. Gärtner- und Stallburschen melden sich zum Abendbrot, und andere Mädchen waschen das Kaffeegeschirr der Herrschaft ab. Auch die Hausfrau kommt in die Küche, besonders um die Arbeit der kleinen Köchinnen zu beobachten.
Die Kinder grüßen sie mit freundlichem: „Guten Abend! Sie unterhält sich mit ihnen. Die eine hat ein krankes Schwesterchen, nach dessen Befinden sich die sorgliche Hausfrau erkundigt. Die andere bringt ein Buch aus der Volks- Leih-Bibliothek, dass ihr Vater gelesen hat, und erbittet ein anderes dafür. Dann kostet die Herrin die Griessuppe, die die Kinder etwas gesüßt haben, und erlaubt der Mamsell, einige kleine Rosinen daran zu tun. Die Rüben werden besichtigt. Sie kochen lustig auf hellem Feuer. Zwei Kinder holen unterdessen 6 Blechteller und Löffel aus dem Küchenschrank und stellen sie auf einen kleinen Tisch bereit.
Die Rüben sind gar. Während die Mamsell die Sauce bereitet, stehen die Kinder mit langen Hälsen um den Herd, eifrig in den Tiegel blickend. Abwechselnd dürfen sie dann die kleine Rührkelle regieren. Nun ist die Mahlzeit fertig und wird aufgetragen. Mit herzhaftem Appetit machen sich die kleinen Köchinnen daran, die selbstzubereiteten Speisen zu verzehren. Es bleibt kein Krümchen übrig. Während des Essens ist ein Topf mit Wasser auf dem noch lebhaften Feuer heiß geworden. Damit wird nun das Geschirr abgewaschen. Eifrig holen die Kinder die Abwaschwannen herbei, waschen, spülen und trocknen Teller, Löffel und Schüsseln und stellen alles wieder im Schrank zurecht. Auch die Kochtöpfe werden gereinigt, wobei das Küchenmädchen bereitwillig hilft. Mit freundlichem „Gute Nacht“ verabschieden sich die Mädchen von der Mamsell und eilen in vollständiger Dunkelheit nach Hause. —
So kommen diese Kinder während der Wintermonate alle acht bis vierzehn Tage einmal, wenn die Mamsell Zeit tat und nicht durch Bäckereien, Schlächtereien und andere Arbeiten von diesem Liebesdienst an den Kindern abgehalten wird. Freilich gehört etwas freundliche Gesinnung dieser vielbeschäftigten ersten Dienerin des ländlichen Haushaltes dazu, um diese kleine Aufgabe zu übernehmen, wenn auch das Geschenk, das ihr die Gutsherrin dafür verspricht etwas lockt. Sie lehrt die Kinder die verschiedensten Wassersuppen kochen, ferner Eierspeisen, Kartoffelgerichte und einige Gemüse, lauter einfache Sachen, deren Zutaten auch im kleinen Tagelöhner Haushalt zu bekommen und zu bezahlen möglich sind. Wenn diese Kinder später ihren eigenen Hausstand besorgen, so werden die erlernten Speisen eine wohltuende Abwechselung in die einförmige Kost bringen. Die fast ausschließliche Ernährung durch Kartoffeln, Brot und Speck ist wohl schuld, daß die Landleute, trotz der sonst so gesunden Lebensbedingungen, vielfach krank und schwächlich entwickelt sind.
Von großem Vorteil wäre es, wenn durch solchen Kochunterricht, in dem die Bereitung des Gemüses gelehrt wird. auch Gemüsebau in den Gärten der Landleute eingeführt würde. Dort macht sich jetzt die Kartoffel gar zu breit. Die verschiedenen Gemüse aber würden die Kost so viel gesunder gestalten. In den Ortschaften, wo dem Lehrer ein Stückchen Land zur Verfügung steht, auf dem er den älteren Kindern der Schule Beete anweist und sie unter seiner Leitung bearbeiten läßt, wird sich auch der Gemüsebau dadurch fördern lassen.