Das Eisenwerk „Hütte Kraft“, benannt nach dem zweiten Sohn seines Besitzers Guido Henckel von Donnersmarcks, entstand in den Jahren 1896-1900 nach der Idee von Bernhard Grau, Ingenieur der oberschlesischen Falvahütte. Der Bau einer Hochofen- und Koksofenanlage in der Nähe des Stettiner Hafens lag nahe, weil dort große Mengen schwedischer Erze, aber auch preisgünstige Kohle aus England ankamen.

Die Eisenbahnlinie Stettin-Jasenitz (später bis Ziegenort verlängert) wurde so gebaut, dass sie unmittelbar am Werksgelände entlang lief. Sie wurde am 1. Oktober 1898 in Betrieb genommen.

Anfang des 20. Jahrhunderts umfasste das Betriebsgelände 685.000 qm. Die Hochofenanlage stellte etwa 175.000 Tonnen Gießereieisen her. Neben der Hochofenanlage gehörten eine Koksofenanlage, eine Teer- und Ammoniakfabrik, eine Kohlenmühle, eine Benzolfabrik, eine Schlackensteinfabrik, eine Zementfabrik, mehrere Schiffslöscheinrichtungen, eine Ziegelei und eine elektrische Kraftanlage zum Betrieb. Die Eisenhütte Kraft gehörte zu den bedeutendsten Unternehmen der Stettiner Wirtschaft.

„Hütte Kraft“ in Stolzenhagen-Kratzwieck, im Bild unten das Bollwerk am Oderufer, oben die Eisenbahnlinie Stettin-Ziegenort, Foto: fotopolska.eu

Zunächst holte man Spezialarbeiter und Hüttenbeamte aus den schlesischen und rheinischen Industriegebieten nach Kratzwieck, bald konnten diese durch pommersche Arbeiter ersetzt werden. Der einstige kleine Fischerort war jetzt überwiegend zu einem Wohnort für Arbeiter der „Hütte Kraft“ geworden. Im Jahr 1913 beschäftigte das Werk über 1.000 Arbeiter und Angestellte, sowie 50 Beamte.

Wie die meisten Betriebe hatte auch die „Hütte Kraft“ in der Weimarer Zeit wirtschaftliche Krisenzeiten zu überstehen, die zu betriebsbedingten Kündigungen führten. Viele Arbeitnehmer wurden, sobald wieder Arbeit da war, erneut eingestellt. Im Jahr 1924 ging die „Hütte Kraft“  in den Besitz des Hochofenwerks Lübeck über.

Im 2. Weltkrieg blieb das Eisenwerk „Hütte Kraft“  von direkten Bombenangriffen beinahe verschont. Die Bomberverbände nahmen eher Kurs auf das Hydrierwerk Pölitz oder die Stadt Stettin. Im April 1945 wurde das Oderufer von den Russen besetzt, die Fabriken stillgelegt, der Betrieb geräumt und die Mitarbeiter größtenteils evakuiert. Viele ehemalige Angehörige der „Hütte Kraft“ fanden neue Arbeit im Hochofenwerk Lübeck. Die Arbeitszeit in Kratzwieck wurde den jetzt in Lübeck wieder eingestellten Mitarbeitern voll auf die Werksrente angerechnet.

Vor einigen Jahren wurde dem Haus Stettin in Lübeck die Angestelltenkartei der „Hütte Kraft“ in Kratzwieck übergeben. Sie besteht aus Karteikarten, Karteiblättern und einigen Werksausweisen, die vor der Räumung des Betriebes zur Zentrale nach Lübeck gebracht wurden.

v. l.: Werksausweise, Karteikarten, Ordner mit Karteiblättern

Die Werksausweise enthalten neben dem Namen und Geburtsdatum ein Foto mit Unterschrift. Auf den gehefteten Karteiblättern finden sich Angaben über Namen, Geburtsdatum, Anschrift, Ehefrau und Kinder, sowie Ein- bzw. Austrittsdatum, sehr selten mehr. Hier ist die Kartei vieler französischer Zwangsarbeiter, die im Frühjahr/ Sommer 1943 ihren Dienst angetreten haben, besonders zu erwähnen! Am informationsreichsten sind die Karteikarten. Sie enthalten neben Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnort, Ein- und Austrittsdatum, auch Namen und Daten der Ehefrau und den Kindern, Einkommen und möglicherweise auch viele weitere Angaben.

Auskunft kann unter Beachtung der Datenschutzrichtlinien bei berechtigtem Interesse gegeben werden, Anfragen bitte an die Ansprechpartnerin für den Kreis Randow.

 

Quellen:

– Stettin-Stolzenhagen, Kratzwiek und Gotzlow, Kurt Dummann, Oelde 1986, S. 111 ff.
– Unser Pommerland Nov./ Dez. 1930 Heft  11/12, Stettin,  S. 466 ff. (DIGITALISAT der Bałtycka Biblioteka Cyfrowa, zuletzt besucht am 25.6.2020)
– NEUE DEUTSCHE BIOGRAPHIE, BD.: 7, Grassauer – Hartmann, Otto zu Stolberg-Wernigerode, Berlin, 1966, S. 7 (Digitale Sammlungen DFG, zuletzt besucht am 25.6.2020)
– Wikipedia über das EISENWERK KRAFT(zuletzt besucht am 25.6.2020)
– Wikipedia über GUIDO HENCKEL VON DONNERSMARCK (zuletzt besucht am 25.6.2020)

 

 

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