Folge 5: Inspirieren lassen – Genealogisch schreiben für Kinder

 

Es gibt viele Wege, ins Schreiben zu kommen. Sich inspirieren lassen von dem was andere verfasst haben, ist einer davon. 

Wie wäre es da mit einem Kinderbuch? Mit dem man man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen kann: Kinder für Familien- und Zeitgeschichte begeistern, ein (Oster-) Geschenk machen und selber einen neugierigen Blick hineinwerfen, um sich für sein eigenes Schreiben zu inspirieren. Hier eine kleine Auswahl:

Wir Kinder von früher
bisher vier Bände, je 16 €, Klett Kinderbuch

In der Reihe „Wir Kinder von früher“ wird die Kindheit der heute 50- bis 60jährigen lebendig. Wie war es, in den 70er Jahren aufzuwachsen – ohne Fernseher, nur mit der Vorgabe, wieder zuhause zu sein, wenn die Straßenlaternen angingen? Und wie fühlten sich die Kinder in Ostberlin, die wussten, dass sie die andere Seite ihrer eigenen Stadt wohl erst sehen würden, wenn sie so alt waren wie ihre Oma? Bisher sind vier Bände der Reihe erschienen, je zwei mit Erinnerungen aus dem Westen und dem Osten, die für Kinder ab 7 Jahren empfohlen werden.

 

In einem alten Haus in Berlin
von Kathrin Wolf, 28 €, Gerstenberg-Verlag

Den Ansatz, die Geschichte eines Hauses und die seiner Bewohner zu verknüpfen, verfolgt das Bilderbuch „In einem alten Haus in Berlin“. Ein Buch, in dem es unendlich viel zu entdecken gibt, während man der Apothekerfamilie Schwartz in Berlin über die Jahrzehnte folgt und durch die deutsche Geschichte reist. Das Buch ist für Kinder ab 10 Jahren empfohlen – die Ausführungen zu den einzelnen Epochen halte ich allerdings für ziemlich anspruchsvoll. Aber auch ohne den historischen Kontext vollständig zu erfassen, erschließen sich die Geschichten mühelos, und die detailreichen Zeichnungen machen einfach Spaß.

Mittelstraße 16
von Iris Iris Lemanczyk, 19,90 €, Horlemann-Verlag

Ohne viele Bilder kommt das Buch „Mittelstraße 16“ aus, verfolgt aber den gleichen Ansatz. Von Elly, die 1924 Toilettenpapier aus Zeitung schnitt, über Petra, deren Lieblingseis in den 70er Jahren ‚Brauner Bär‘ hieß, bis hin zu Olga, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflohen ist – man erfährt von den Bewohnerinnen und Bewohnern, die im Lauf der Jahrzehnte kommen und gehen, von ihrem Alltag, der lokalen Geschichte und den weltpolitischen Ereignissen, die ihr Leben in der Mittelstraße 16 geprägt haben. Trotz reichlich Stuttgarter Lokalkolorit dürfte es auch für Nicht-Schwäbinnen und -Schwaben ab 11 Jahren eine Fülle an Inspiration bieten, Familiengeschichte mit der Geschichte des eigenen Wohnorts zu verknüpfen.

Wir waren Glückskinder – trotz allem
von Michael Wolffsohn, 9,99 €, dtv

Ebenfalls ab 11 Jahren bietet Michael Wolffsohn schwere Kost mit Klugheit und einer gewissen Heiterkeit. „Wir waren Glückskinder – trotz allem“ erzählt die Geschichte seiner Familie, von der Verfolgung in der Nazi-Zeit, über ihre Emigration nach Palästina und ihre Rückkehr nach Deutschland. Und fast nebenbei erklärt er kindgerecht die Wurzeln des Nahostkonflikts. Michael Wolffsohn spart nichts aus, er verzichtet aber auf grausame Schilderungen. „Wenn man sieht, dass andere Menschen schlecht behandelt werden, sollte man niemals mitmachen, sondern dafür sorgen, dass dies aufhört.“, ist Michael Wolffsohns Rat und Bitte an seine kleinen wie großen Leserinnen und Leser.

Als ich ein kleiner Junge war
von Erich Kästner, 14 €, Atrium Verlag

Mit einem Klassiker soll diese Liste enden. In „Als ich ein kleiner Junge war“ entführt Erich Kästner Leserinnen und Leser ab 6 Jahren ins Dresden der Jahrhundertwende, zu Kästners Vorfahren nach Penig und Döbeln, zu seinen schönen und nicht so schönen Kindheitserlebnissen . Mit einer liebenden, aber depressiven Mutter – „Ihr Leben galt mit jedem Atemzuge mir, nur mir.“ – und in einer grandiosen, aber untergegangenen Stadt – „Ich durfte die Schönheit einatmen wie Försterkinder die Waldluft.“ „Ja, Dresden war eine wunderbare Stadt. Ihr könnt es mir glauben. Und ihr müßt es mir glauben! Keiner von euch, und wenn sein Vater noch so reich wäre, kann mit der Eisenbahn hinfahren, um nachzusehen, ob ich recht habe. Denn die Stadt Dresden gibt es nicht mehr. Sie ist, bis auf einige Reste, vom Erdboden verschwunden.“
Ein echter Kästner, nachdenklich, lustig, berührend und unbedingt lesenswert.

„Was wir früher einmal erlebt haben, kehrt nach Jahren und Jahrzehnten plötzlich zurück und blickt uns an.“, schreibt Kästner, „Und wir fühlen: Es war ja gar nicht fort. Es hat nur geschlafen.“ Bevor es wieder einschläft, sollten wir es aufschreiben – damit auch spätere Generationen nachlesen können, wie es war, als wir kleine Jungen und Mädchen waren, vielleicht sogar noch in Pommern.

P.S. Barbara Schmidt von „Die Welten verbinden“ hat in ihrem Blog anlässlich des internationalen Kinderbuchtages weitere Empfehlungen gegeben und hier vor allem Erinnerungsbücher wie „Oma, erzähl mal“ besprochen.

One Thought on “Genealogische Kinderbücher”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert