Bei unserer Fahrt über Land im Rahmen der Jahrestagung des Pommerschen Greif in Stettin besichtigten wir auch den Camminer Dom. An der Außenseite fielen mir in den Backsteinmauern kleine schüsselförmige Vertiefungen in großer Zahl auf. Die Einkerbungen befinden sich auf Brusthöhe bis auf etwa zwei Meter Höhe. Eine erste Vermutung war, dass es sich um Spuren eines Feuergefechts handelt. Der örtliche Führer erklärte den Ursprung dieser Näpfchen mit einer Sage: Frauen, die gesündigt hatten, haben diese Vertiefungen mit ihren Fingern gebohrt, um Absolution zu erhalten. Eine realistischere Erklärung hatte er auch: die Fackeln vom Osterfeuer wären an der Wand gelöscht worden. Ihm gefiel die erste Darstellung aber besser.


Versucht man mehr über diese Näpfchen herauszufinden, kann man feststellen, dass sie ein häufiges Phänomen an vielen Kirchen in allen Regionen aus dem Mittelalter sind. Sie könnten durch das Drehen einer runden Münze entstanden sein, weshalb man sie auch Talerlöcher nennt. Eine andere Bezeichnung ist Näpfchen-Schürfungen.
Es gibt viele weitere Legenden um ihre Entstehung: sie sollen angeblich von den Krallen des Teufels verursacht worden sein oder durch Soldaten, die ihre Waffen geschärft haben.
Schon 2015 war dieser Sachverhalt ein Thema in unserer Vereins-Mailingliste. Der leider schon verstorbene Pastor Michael Reimer hatte folgendes zu berichten:
Auch an unserer Kirche [Ahrenshagen] sind im Ziegelstein-Portalgewande solche auch als Näpfchen bezeichneten Höhlungen zu sehen. Möglicherweise saßen dort Kieselsteine, die beim (witterungsbedingten) Arbeiten am weichen Ziegel-Stein ausfielen. Mir als jungem Pastor zeigte einst ein Bauer und Kirchenältester die „Löcher“ und erzählte dazu, was ihnen der alte Kantorlehrer LÜCHT gesagt hatte: Wenn die hiesigen Mönche (Es gab hier kein Kloster, aber ein Hospital St. Jürgen/St. Georgen) bestraft wurden, mußten sie mit dem Daumen auf/in dem Stein reiben/scheuern – so sind die Näpfchen damals im Mittelalter entstanden. Der junge Pastor meinte dazu: „Hei lücht- er lügt“! Aber eine nette Geschichte!!!
Kinderhände konnten eine Rolle gespielt haben.
Zum Feuerschlagen und Feuerreiben (Feuerbohrer).
Spuren mittelalterlicher Bußübungen.
Zeichen für Pilger.
Hineinpusten von Krankheiten (bei Rundmarken).
Einiges spricht nach meiner Meinung für folgende Annahme: Dem Steinstaub von kirchlichen Gebäuden wurde heilkräftige Wirkung zugeschrieben. So schabte man also mit einer Münze oder ähnlichem das Ziegelmehl heraus und nahm es ein oder benutze es äußerlich. Wenn man die Ziegel zur Geisterstunde ausschabte, wurde ihnen eine besonders große Heilwirkung nachgesagt. (aus Angermünde)
Ein schöner Bericht zu diesem Thema ist „Am Kircheneingang genau hinsehen“ von Frau Rommel-Knop und Dr. Herbert Knop im Gemeindebrief Crivitz und Zapel/Demen aus dem Dezember 2019.
Welche Erklärung erscheint Ihnen am schlüssigsten?