Professor  Alfred Haas  schrieb im Heimatkalender Lauenburg für das Jahr 1933 über einen faszinierenden alten Brauch in Pommern: das Pfingstbiertrinken. Dieser Brauch war eng mit der Freude über das Ende des Winters und die Rückkehr des Frühlings verbunden und umfasste oft Musik, Tanz und ausgelassene Feiern.

Schon im 17. Jahrhundert gab es Bedenken wegen der oft exzessiven Feierlichkeiten. Heinrich Wackenroder, ein pommerscher Chronist, schrieb 1708 über die „Unordnungen“ bei den Pfingsttänzen um 1600–1610, die von Trunkenheit und übermäßig freizügigem Verhalten geprägt waren. Sogar Geistliche wurden kritisiert, wie der Landower Pastor Christian Turow, der von seinem eigenen Küster verklagt wurde, weil er beim Gildebier in Pantoffeln getanzt haben soll. Das sogenannte „Güldene Pfingstbier“ war wohl dasselbe wie das „Gilde-Pfingstbier“, wobei „Gilde“ ursprünglich Opfermahl oder Festversammlung bedeutete.

Ein drastisches Beispiel für die Folgen solcher Ausgelassenheit liefert Daniel Cramer, der im „Grossen Pomrische Kirchen Chronicon“ berichtete, dass ein Priester, der Bauern zum Pfingsttanz aufspielte, vom Blitz erschlagen wurde, zusammen mit 24 weiteren Personen. Diese Begebenheit geht auf einen Vorfall aus dem Jahr 1202 zurück. Eine andere, im 18. Jahrhundert aufgezeichnete Sage aus dem Kreis Dramburg, erzählt vom „Adamstanz bei Virchow“: Eine Gruppe, die an Pfingsten einen „nackten Tanz“ aufführte, wurde zur Strafe in Steine verwandelt. Die Steine eines prähistorischen Kreises von 18 Steinen sollen die Tänzer, Bierschenker und Spielleute darstellen, wobei man an einigen Steinen sogar noch die „Violinen“ der Musiker erkennen kann.

Die weite Verbreitung des Pfingstbiertrinkens im 16. Jahrhundert zeigt sich auch in Handwerksordnungen, wie der der Gollnower Schmiede von 1651. Dort wurde festgelegt, dass jeder, der Zwietracht stiftet, ein Fass Bier füllen musste. Im Jahr 1590 wurden bei Kirchenvisitationen in vielen Dörfern des Kreises Pyritz „heidnische Pfingstfeste“ verboten, was belegt, wie tief dieser Brauch verwurzelt war.

Das Trinkhorn Wartislav’s V., ehemals im Camminer Domschatzz

Der in vielen Orten lange gepflegte Brauch des Pfingstbiertrinkens hielt sich besonders lange in Amtswiek bei Cammin. Herzog Wartislaw V. hatte ein Wisenthorn, angeblich vom letzten Wisent in Pommern, dem Camminer Dom 1373 gestiftet. Dieses Horn wurde am zweiten Pfingsttag genutzt, wenn Jung und Alt im Schulzenamt zusammenkamen, um das Pfingstbier zu genießen. Neuwirte mussten ein halbes Fass Bier spenden, und junge Frauen, die von außerhalb in die Gemeinde eingeheiratet hatten, die Hälfte davon. Die jungen Wirte durften aus diesem „Willkommen“ genannten Horn trinken, das die jungen Frauen festlich mit bunten Bändern schmückten. Wer das etwa zwei Liter fassende Horn nicht auf einmal leeren konnte, ohne abzusetzen, zahlte eine Geldstrafe von zwei Groschen in die Gemeindekasse. Dieser alte Brauch wurde erst um 1810 abgeschafft.

Interessanterweise existiert in Hinterpommern noch heute ein ähnlicher Brauch: Wenn sich zwei Personen zerstritten haben, lädt ein gemeinsamer Freund sie zum Pfingstbiertrinken ein, und bei dieser Gelegenheit kommt es meist zur Versöhnung. Die Annahme einer solchen Einladung gilt bereits als Zeichen versöhnlicher Gesinnung.

Die tiefe Verbindung zwischen dem Biertrinken und der Pfingstfeier wird auch durch überlieferte Sprüche deutlich, die dem Ruf des „Pfingstvogels“ Bülow [volkstümlich für den Pirol] zugeschrieben wurden:

„Pfingsten Bier halten!

Utsupen!

Mihr halen!

Vergett of nich to betahlen!“

(Pfingsten Bier trinken! Austrinken! Mehr holen! Vergeßt auch nicht zu bezahlen!).

Diese Worte verdeutlichen die jahrhundertealte Tradition dieses lebendigen Pfingstbrauches.

 

 

Den Originalartikel im Heimatkalender Lauenburg für das Jahr 1933 finden sie auf S. 92 http://bibliotekacyfrowa.eu/dlibra/show-content/publication/587/edition/549/?format_id=2

Abbildung aus Baltische Studien 1932, JG.1, Heft 1, Hering, das Trinkhorn Wartislav’s V.

 

 

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