Auf dem Genealogentag in Berlin waren wir Pommern sehr präsent: Ein großer Stand des pommerschen Greifs, direkt daneben die Stolper Heimatkreise e.V. und die Forschergruppe Kolberger Lande. Wir arbeiteten gemeinsam und konnte so viele Synergien nutzen.
Begriffe und Ausweisdokumente in Familienbüchern ab 1938
In einer Reihe in den sozialen Medien berichteten wir über Begriffe und Ausweisdokumente, die in den Familienbüchern ab 1938 auftauchten. Das Personenstandsgesetz von 1937 änderte Heiratsurkunden auf dem Standesamt in Familienbücher, die ab dem 1.7.1938 eingeführt wurden. Für den Familienforscher sind diese Bücher eine Goldgrube, da sie im Idealfall die Eltern der Brautleute aufführten.
Wenn der eigene Familienname im Zusammenhang mit dem Ortsnamen Kösternitz – wo die Vorfahren mal gelebt haben – auftaucht, wird man neugierig. Auch wenn man dann feststellt, dass es nicht um das Kösternitz im Kreis Schlawe, wo die eigenen Otts lebten, sondern um jenes im Kreis Belgard geht.
Da hat anscheinend ein Emil Ott Onkel und Tante Guse in Kösternitz-Abbau ermordet.
(Als Anerbenrecht bezeichnet man die Vererbung eines landwirtschaftlichen Anwesens an einen einzigen Erben, damit es geschlossen erhalten bleibt. )
Hoffentlich keine Verwandtschaft?
Leider fehlt ausgerechnet der Jahrgang 1935 bei den Sterberegistern des Standesamtes Roggow, zu dem Kösternitz gehörte.
Von einer Dame, die kürzlich nach Ratzeburg umgezogen ist, eine Liste mit auf dem St. Petri-Friedhof in Ratzeburg beigesetzten Pommern.
Sie erkundet nun ihre neue Heimat und hat dabei auch ein paar Friedhöfe in Ratzeburg besucht. Ihr fiel auf, dass nach dem Ende des 2. Weltkriegs offenkundig sehr viele Flüchtlinge aus dem Osten angekommen und etliche hier dann meist bald nach ihrer Ankunft in Ratzeburg verstorben waren.
Bei einem Besuch im Stadtarchiv Ratzeburg fand sie mit Hilfe des Stadtarchivars heraus, dass dort Aufzeichnungen der aus den Ostgebieten Geflüchteten existieren, aus denen sie folgende Namen von Pommern extrahiert hat.
Die Orte waren für die Dame, die ansonsten nichts mit Familienforschung zutun hat, nicht immer einfach Pommern zuzuordnen, weshalb die Liste möglicherweise unvollständig sein kann oder auch Fehler dabei sein könnten.
Wir bedanken uns herzlich für diese nachahmenswerte Arbeit!
Laut Bahlow, Pommersche Familiennamen , stammt der in Pommern öfter auftretende Familienname Fick aus einer niederdeutschen Kurzform zu Friedrich, im Mittelalter Ficke, verschliffen aus Fricke. Frühestes Vorkommen Vicke (Fredericus) Holestaf 1300 Stade.
Im Greif Index gibt es übrigens 750 Taufen mit dem Familiennamen Fick und 93 Taufen mit dem Namen Vick.
Diese Namensherkunft ist aber vermutlich nicht so präsent wie die vulgäre Bedeutung. Verständlich also, wenn jemand eine Namensänderung beantragte. (mehr …)
Arthur Lewin aus Schwetz an der Weichsel und seine Frau Elise geborene Engel aus Schönlanke betrieben über viele Jahre hinweg ein erfolgreiches Textilgeschäft im Zentrum von Schivelbein. Das Eckhaus am Marktplatz, die Marienkirche im Rücken, diente der Familie als Geschäfts- und Wohnhaus. Anfang der 1940er Jahre mussten Arthur und Elise Lewin Schivelbein verlassen und nach Berlin ziehen. Beide wurden später nach Theresienstadt und Auschwitz deportiert.
Das Geschäft von Arthur Lewin im hellen Haus links vor der Kirche, Quelle nicht bekannt
Ihre Kinder Erich und Ilse, beide in Schivelbein geboren, hatten sich der „Hachschara“-Bewegung angeschlossen. Hachschara bedeutet so viel wie Vorbereitung, „Tauglichmachung“ im eigentlichen Wortsinn. Ziel war es, junge Jüdinnen und Juden auf die Auswanderung nach Palästina und die Gründung von landwirtschaftlichen Gemeinschaftssiedlungen, den sog. Kibbutzim, vorzubereiten. Auf über 60 Lehrgütern verteilt über das ganze deutsche Reich wurden jüdische Jugendliche in den 1930er Jahren in der Landwirtschaft und im Handwerk ausgebildet. Hier lebte man so wie man es später auch in Palästina tun wollte – in einer Gemeinschaft, in der gemeinsam entschieden wurde, in der alle gleich sein sollten und alle das Gleiche besaßen, unabhängig von Herkunft und Vorbildung. Das spätere israelische Erfolgsmodell Kibbutz funktionierte nicht nur in den Tälern Galiläas, sondern auch in der pommerschen oder brandenburgischen Provinz. Die Hachschara-Lager in Pommern befanden sich in Dragebruch und Altkarbe im ehemals brandenburgischen Kreis Friedeberg/Neumark und in Freienstein in der Gemeinde Blankensee in Vorpommern.
Mehr über die Familie Lewin, die Hachschara-Bewegung und die entbehrungsreiche Zeit von Erich und Ilse Lewin auf ihrem Weg von Schivelbein nach Palästina, wo sie endlich in einem Kibbutz glücklich wurden, findet sich unter Der Traum vom Kibbutz – Familie Lewin aus Schivelbein
Dass es in Soltau viel zu lernen gab über unsere Ahnenforschung, davon war ich ausgegangen. Aber dass am späteren Abend beim zweiten Bier in der Hotelbar die Klärung eines mehr als hundert Jahre alten Mordfalls ihren Ausgang nehmen würde, damit hatten weder der Urenkel des Mordopfers noch ich gerechnet.
„Jetzt noch eine kleine Räuberpistole“, begann Burkhard die Erzählung über den tragischen Tod seines Urgroßvaters. Der Maschinist Julius Schmidt wurde am 8. Juli 1862 in Groß Stepenitz im Kreis Kammin geboren. Am 27. Februar 1892 heiratete er Helene Koplin aus Pölitz, südlich des Stettiner Haffs, wo die Familie dann auch lebte. 1896 wurde Julius Schmidt nach Schwedt an der Oder versetzt.
Eine passable Wohnung zu finden war schon Ende des 19. Jahrhunderts ein nicht zu unterschätzendes Problem und die Bleibe, die man ihm zuteilte, beherbergte bereits einige Untermieter – Ratten. Die mussten raus und Julius machte sich auf, Gift gegen die Nager zu organisieren. In der Familie war überliefert, dass Julius Schmidt eine Apotheke betrat, Rattengift orderte, der Apotheker aber stattdessen die Pistole zog und mit den Worten „So gehen wir hier mit Ratten um.“ vor den Augen der entsetzten Gattin Helene, die zudem schwanger war, auf den armen Julius schoss. Der soll das Attentat zwar einige Monate überlebt haben, sei aber später an den Folgen der Schussverletzung gestorben.
Julius Schmidt, Quelle: Familie Schmidt
Gespannt und kopfschüttelnd hörten wir uns die Erzählung von Burkhard an. Was war nur in den Apotheker gefahren? War der Mord aufgeklärt worden oder war der Täter geflüchtet? Die arme Familie, so ein sinnloser Tod. Vieles hatte der Urenkel bereits unternommen, die Ereignisse zu verifizieren, aber das Attentat auf Julius schien keinen Weg in die Archive gefunden zu haben.
Am noch späteren Abend und mittlerweile im Hotelzimmer ließ mich die Schießerei immer noch nicht los. Und ich dachte mir – wenn mich mehr als hundert Jahre später das Schicksal von Julius umtrieb, wie mag das dann den Menschen Ende des 19. Jahrhunderts gegangen sein? Mord und Totschlag, das erfreut sich heute als True Crime in Fernsehen und Podcasts großen Erfolgs. Die Medien, mittels derer sich die Menschen damals im Deutschen Reich einen Schauer über den Rücken laufen ließen, waren die Zeitungen. Schon wesentlich unspektakulärere Geschichten hatte ich in entsprechenden Portalen gefunden, da könnte es dieser Mord doch auch in die Gazetten geschafft haben.
Schwedt und Rattengift waren die Begriffe, die ich in das Suchfeld des Deutschen Zeitschriftenportals eingab und tatsächlich – da war sie, die Geschichte von Julius und dem hinterlistigen Rattengiftverkäufer. Nicht nur in einer Zeitung, sondern gleich in mehreren, von Sachsen bis ins Rheinland. Kein Apotheker, sondern Drogist, nicht 1895, wie in Burkhards Familie überliefert, sondern Ende April 1896, aber ansonsten stimmte die Geschichte. Der Täter war der Drogist Kreit gewesen.
Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.