Arnold Aron, ein pommerscher Kaufmann in Braunschweig

Matthias Beulke hat die Geschichte des jüdischen Kaufmanns Arnold Aron recherchiert.

Kaufmann Arnheim/Arnold ARON

*05.05.1888 in Lauenburg, Nr. 101/1888 StA Lauenburg i. Pom.

Vater: Kaufmann Emil ARON (*23.04.1849 in Schlawe,+24.04.1909 in Lauenburg i. Pom.)

Mutter: Rosa, geb. MICHAELIS (*26.09.1847 in Belgard/Persante)

oo am 25.09.1920 in Windhausen, Kr. Gandersheim/Harz, mit der Marie Elise Friederike, geb. RÖMERMANN (*13.02.1895 in Windhausen, Nr. 4/1895 StA Windhausen, Kr. Gandersheim/Harz)

+17.12.1944 im Landeskrankenhaus Braunschweig, Nr. 5609/1944 StA Braunschweig

Das Leben von Arnold Aron steht stellvertretend für die Schicksale vieler jüdischer Kaufleute in Deutschland während des 20. Jahrhunderts. Geboren am 5. Mai 1888 in Lauenburg in Pommern, wuchs er in einer Familie auf, die aktiv im Einzelhandel tätig war. Seine Eltern, Emil und Rachel (Rosa) Aron, führten in Lauenburg eine Manufaktur- und Modewarenhandlung am Markt 9, die das wirtschaftliche Leben der Stadt mitprägte. In den folgenden Abschnitten wird das Leben von Arnold Aron skizziert, das durch die politischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts und insbesondere durch die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung im nationalsozialistischen Deutschland gezeichnet ist.

Stammbaum der Familie Aron

(mehr …)

Virtuelle Rekonstruktion der Neuen Synagoge in Stettin

Der Verein Denkmal Pomorze wies auf Facebook am 29.08.2025 mit folgenden, hier übersetzten Worten,  auf die beeindruckende Arbeit von Anna Koc hin, die die Neue Synagoge in Stettin wieder zum Leben erweckte.

Die Orgel 1914, Walcker, Public domain, via Wikimedia Commons

Erlebe die virtuelle Rekonstruktion der Neuen Synagoge in Stettin!
Das historische Spaziergangsprojekt wurde von Anna Koc, Mitglied von Denkmal pomorze, konzipiert. Es ist nicht ihre erste Arbeit dieser Art – in ihrem Portfolio befinden sich die Quistorptürme, die Westendbrücke sowie die Geschichte von Eckerberg, bei der Łona als Sprecher fungierte. Es ist bekannt, dass Denkmal Pomorze solche Geschichtsenthusiasten in seinen Reihen hat – das ist einer der Gründe, sich uns anzuschließen.

Anlässlich des 150. Jubiläums der Einweihung der Neuen Synagoge an der Grünen Schanze, heutigen Straße Zielony Szaniec (heute Dworcowa) präsentieren wir eine digitale Rekonstruktion dieses Ortes, der über mehr als 60 Jahre ein wichtiges spirituelles und kulturelles Zentrum im damaligen Stettin war.

Der Film entstand aus dem Wunsch, dieses Kapitel der Stettiner Geschichte wieder ins Gedächtnis zu rufen, Brücken zwischen jüdischer, polnischer und deutscher Kultur zu bauen und das einzigartige Erbe synagogaler Architektur und Musik vor dem Vergessen zu bewahren.

Es war ohne Zweifel eines der schönsten Gebäude in Stettin und Pommern, in dem außerdem großartige Musik erklang. Lernt die gesamte Geschichte kennen und besucht unsere Konzerte!
Was es nicht mehr gibt, kann man hier wieder sehen und hören – mit Respekt für Geschichte und Erinnerung.

Archivrecherche, Konzept, Animation und 3D-Modell, Regie und Schnitt:
Anna Koc

Instrumentenwissenschaftliche Beratung und Aufnahme des Soundtracks:
Jakub Stefek

Archivrecherche, fachliche Beratung, Text und Sprecher:
Michał Dębowski

Ein besonderer Dank geht an Herrn Paweł Gut vom
Staatsarchiv Stettin für die Materialvorbereitung.

Das Projekt wurde finanziell von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit unterstützt.
Die Veranstaltung wurde mitfinanziert von der Stadt Szczecin.

 

 

Lesen Sie hier die deutsche Übersetzung der Untertitel des Films (Eigennamen ohne Gewähr):

(mehr …)

Ein Lehrerschicksal in Schivelbein

Das Lehrerdasein war zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht einfach. Trotz fundierter Ausbildung in Lehrerseminaren konnten sich viele Lehrer nur mit ihrem Gehalt finanziell nicht über Wasser halten und waren auf Zusatzjobs, z.B. als Kantoren, angewiesen. Dies galt umso mehr für Lehrer außerhalb staatlicher Schulen und ganz besonders für jüdische Pädagogen.

Die Geschichte von Siegmund Saul, der mehr als 30 Jahre Lehrer und Kantor der Synagogengemeinde Schivelbein war, ist exemplarisch für viele jüdische Lehrer in Pommern. Als Vorsitzender des „Vereins israelitischer Lehrer und Kantoren in Pommern“ kämpfte er engagiert für eine Verbesserung der Versorgung jüdischer Lehrer – leider mit geringem Erfolg.

Trotz aller finanziellen Widrigkeiten schafften die Kinder der Familie Saul den gesellschaftlichen Aufstieg, vom Getreidehändler in Dresden, Postinspektor in Münster bis hin zum berühmten Musikpädagogen in Schweden. Zwei Söhne fielen im Ersten Weltkrieg für Deutschland. Und nur drei ihrer Kinder überlebten die Verfolgung durch die Nationalsozialisten.

Die Geschichte der Familie Saul erzähle ich in einem neuen Beitrag in meinem Ahnenblog: Der Kultusbeamte von Schivelbein

Siegmund und Emma Saul, mit bestem Dank an Marit Kihlman

Der jüdische Friedhof in Berlin-Weißensee

Der Genealogentag in Berlin war eine Reise wert. Aber es gibt hier so viel zu entdecken für die pommersche Familienforschung, da habe ich noch zwei Tage drangehängt.

Im Nordwesten von Berlin, im Ortsteil Weißensee, findet sich der flächenmäßig größte erhaltene jüdische Friedhof Europas. Rund 116.000 Grabstellen kann man hier entdecken, von prunkvollen Familiengruften bis zu bescheidenen und kaum noch lesbaren Steinen. Vom berühmten Rabbiner Leo Baeck über Wirtschaftsgrößen wie Hermann Tietz, von Kulturschaffenden wie Angelika Schrobsdorff oder Stefan Heym bis hin zu den ganz einfachen Menschen, der Friedhof lädt ein zu einer Zeitreise durch das jüdischen Leben Berlins und ganz Deutschlands. (mehr …)

Die Schivelbeiner Excesse

Hinterpommern war im Sommer 1881 im gesamten deutschen Kaiserreich in aller Munde. Man sprach vom „pommerschen Bürgerkrieg“. Eine Geschichte, die fast vergessen ist.

Im Juli und August 1881 kam es in Städten und Dörfern rund um Neustettin zu schweren antijüdischen Ausschreitungen. Konkreter Auslöser für die Gewalt war der Brand der Synagoge in Neustettin. Die „Schivelbeiner Excesse“ am 7. August 1881 waren die wohl schwerwiegendsten Krawalle des Sommers. Stundenlang zogen hunderte von Randalierern durch die Stadt, zerstörten und plünderten jüdische Geschäfte und Wohnhäuser. Besonders hart traf es die Spirituosenhandlung von Heymann Jacobus.

Polizei und der Bürgermeister konnten gegen die Gewalt der Masse nichts ausrichten. Erst der Kriegerverein bekam die Lage wieder unter Kontrolle. 22 Schivelbeiner Bürgerinnen und Bürger wurden später in einem reichsweit beachteten Prozess zu Gefängnisstrafen verurteilt. 

Näheres über die Ausschreitungen, ihre möglichen Ursachen und die Geschichte der Familie Jacobus findet ihr unter Heymann Jacobus und die Krawalle von Schivelbein.

„Stein- und judenfreier Badestrand“

Zum Bäder-Antisemitismus in Pommern

Das diesjährige Sonderheft des Sedina-Archivs „Gebietsunterkunftsverzeichnis Pommern 1939“ enthält eine verloren geglaubte und sehr aufschlussreiche Quelle für die Familien- und Ortsforschung. Aufgelistet werden alle Hotels, Gasthöfe, Pensionen und Zimmervermietungen in Pommern sowie deren Betreiber. 

Einige Unterkünfte sind in der Liste nicht mehr vorhanden – die Herbergen jüdischer Betreiber. 1939 war die sogenannte „Arisierung“ jüdischer Unternehmen schon so weit vorangeschritten, dass es keine entsprechenden Betriebe mehr gab. Und auch jüdische Gäste waren 1939 nicht mehr vorhanden.

Der Antisemitismus im Tourismus und speziell in den deutschen Seebädern war jedoch deutlich vor 1939 entstanden. Seit 1910 veröffentlichte die jüdische „Central-Verein-Zeitung“ eine Liste von Kurorten und Gasthäusern, „deren Besuch unseren Freunden nicht empfohlen werden kann“.

In Pommern tat sich Zinnowitz auf Usedom besonders hervor. „Laut Prospekt war es stets das Bestreben der Kurverwaltung, das Bad von semitischen Kurgästen freizuhalten“, schrieb die Central-Verein-Zeitung am 29.03.1929. „Fern bleibt der Itz von Zinnowitz“ polterte das „Zinnowitzlied“, das man in den Zwanziger Jahren auf Postkarten verschicken konnte. Henkenhagen warb in Zeitungsanzeigen gar damit, dass sein Badestrand „stein- und judenfrei“ sei.

(mehr …)

Der Traum vom Kibbutz – Die Familie Lewin aus Schivelbein

Arthur Lewin aus Schwetz an der Weichsel und seine Frau Elise geborene Engel aus Schönlanke betrieben über viele Jahre hinweg ein erfolgreiches Textilgeschäft im Zentrum von Schivelbein. Das Eckhaus am Marktplatz, die Marienkirche im Rücken, diente der Familie als Geschäfts- und Wohnhaus. Anfang der 1940er Jahre mussten Arthur und Elise Lewin Schivelbein verlassen und nach Berlin ziehen. Beide wurden später nach Theresienstadt und Auschwitz deportiert.

Das Geschäft von Arthur Lewin im hellen Haus links vor der Kirche, Quelle nicht bekannt

Ihre Kinder Erich und Ilse, beide in Schivelbein geboren, hatten sich der „Hachschara“-Bewegung angeschlossen. Hachschara bedeutet so viel wie Vorbereitung, „Tauglichmachung“ im eigentlichen Wortsinn. Ziel war es, junge Jüdinnen und Juden auf die Auswanderung nach Palästina und die Gründung von landwirtschaftlichen Gemeinschaftssiedlungen, den sog. Kibbutzim, vorzubereiten. Auf über 60 Lehrgütern verteilt über das ganze deutsche Reich wurden jüdische Jugendliche in den 1930er Jahren in der Landwirtschaft und im Handwerk ausgebildet. Hier lebte man so wie man es später auch in Palästina tun wollte – in einer Gemeinschaft, in der gemeinsam entschieden wurde, in der alle gleich sein sollten und alle das Gleiche besaßen, unabhängig von Herkunft und Vorbildung. Das spätere israelische Erfolgsmodell Kibbutz funktionierte nicht nur in den Tälern Galiläas, sondern auch in der pommerschen oder brandenburgischen Provinz. Die Hachschara-Lager in Pommern befanden sich in Dragebruch und Altkarbe im ehemals brandenburgischen Kreis Friedeberg/Neumark und in Freienstein in der Gemeinde Blankensee in Vorpommern.

Israelitisches Familienblatt 14.07.1938
Jüdische Rundschau 08.05.1934

Mehr über die Familie Lewin, die Hachschara-Bewegung und die entbehrungsreiche Zeit von Erich und Ilse Lewin auf ihrem Weg von Schivelbein nach Palästina, wo sie endlich in einem Kibbutz glücklich wurden, findet sich unter Der Traum vom Kibbutz – Familie Lewin aus Schivelbein

Akten der NS Finanzverwaltung digitalisiert

RBB24 berichtet unter der Überschrift  „Barbarei unter dem Aktendeckel“- dieser Titel trifft es sehr gut.

https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2024/02/landeshauptarchiv-brandenburg-digitalisierte-akten-enteignung-juden-ns-regime.html?

40 000 Akten der NS-Finanzverwaltung wurden vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv digitalisiert und online gestellt. Sie enthalten Informationen zu zehntausenden Menschen, die vom nationalsozialistischen Deutschland als jüdisch oder „reichsfeindlich“ verfolgt und ausgeplündert wurden. Akribisch haben die Nazibeamten Formulare ausfüllen lassen oder selbst ausgefüllt, die die Vermögenswerte vor der „Auswanderung“ feststellen sollten.  Auch Menschen, die in Pommern geboren waren, finden sich.

Zum Beispiel die Akte von Heinrich Jacobsohn, jüdischer Religion, der am 30.11.1881 in Freienwalde Kreis Saatzig geboren wurde und seiner Frau Cerline geb. Levy, die aus Schönlanke stammt

https://blha-digi.brandenburg.de/rest/dfg/LwNxQJFostFKUCQR

Die Akten beginnen mit einer Kassenbuchseite, wo notiert wurde, welchen Erlös die Besitztümer der Personen erbracht haben und welche Ausgaben evtl. entstanden sind. Der Hausrat Jacobsohn war 405 Reichsmark wert. Heinrich arbeitete als Arbeiter in einer Maschinenfabrik in Reinickendorf mit einem Wochenlohn von 35 RM. Das Ehepaar wohnt zur Untermiete in einem Leerzimmer, die Miete betrug 40 RM pro Monat. Akribisch wird auch erfasst, welche Religion selbst der Vermieter hat. Die Tochter Margot ist am 5.5. 1923 geboren, lebt nicht in der Wohnung und ist vermutlich Krankenschwester.

Signatur: 36A (II) 17026
Titel: Jacobsohn, Heinrich
Laufzeit: 1943-1962

(mehr …)